Untersuchung des Überholverhaltens und Ableitung von Überholsichtweiten im Zuge von Landstraßen

Autor: Walther, Anne
Jazyk: němčina
Rok vydání: 2022
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Druh dokumentu: Text<br />Doctoral Thesis
Popis: Das Überholen unter Nutzung des Gegenverkehrsfahrstreifens ist nach den Richtlinien für die Anlage von Landstraßen (RAL 2012) auf Straßen der Entwurfsklassen EKL 2 und der EKL 3 möglich. Für beide EKL muss somit eine erforderlichen Überholsichtweite definiert werden. Da bei der Erarbeitung des Regelwerks keine aktuellen Erkenntnisse zum Überholverhalten von empirisch erfassten Überholvorgängen vorlagen, wurde die erforderliche Überholsichtweite für die RAL (2012) anhand fahrdynamischer Berechnungen dimensioniert. Auf den Straßen der EKL 2 und EKL 3 beträgt die erforderliche Überholsichtweite demnach 600 m. Liegt die vorhandene Sichtweite auf zweistreifigen Abschnitten zwischen 300 m und 600 m, soll geprüft werden, ob die Anordnung eines Überholverbots notwendig ist und ob das Überholen von langsamen Fahrzeugen durch das Zusatzzeichen 1049-11 zugelassen bleiben kann. Auch für die derzeitige Überarbeitung der „Richtlinien für die Markierung von Straßen, Teil Landstraßen“ – RMS, Teil L ist das Überholen unter Nutzung des Gegenverkehrsfahrstreifens von Interesse. Zukünftig soll dem Modell zur Anordnung der Fahrstreifenbegrenzung (Z 295) bei Unterschreitung einer Mindestsichtweite auch der Überholvorgang zugrunde gelegt werden. Ziel dieser Arbeit war die Erarbeitung eines Gesamtkonzeptes für das Überholen auf Landstraßen im Hinblick auf die Festlegungen in den Regelwerken für den Straßenentwurf und der Markierung. Dieses sollte auf einer empirischen Datengrundlage beruhen und die aktuelle Fahrzeugflotte mit ihren technischen Eigenschaften und Fahrzeugabmessungen berücksichtigen. Die Ergebnisse der Dissertation dienen somit der Überprüfung, Aktualisierung bzw. Fortschreibung des aktuellen Regelwerks für Landstraßen. Mit Hilfe einer Flugdrohne wurde auf sieben ausgewählten Untersuchungsstrecken insgesamt 1.158 Überholvorgänge aufgezeichnet. Zusätzlich wurden die Verkehrsstärke und die Geschwindigkeiten der freifahrenden Fahrzeuge auf den Messstrecken sowie die Streckengeometrien zur Bestimmung der Sichtweiten erfasst. Im Anschluss wurden die Kenngrößen von Überholvorgängen berechnet und ausgewertet. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass die eigentliche Überholentscheidung auf der vorhandenen Sicht zu Überholbeginn beruht. Wird bei einer Überholung mit Gegenverkehr die Sicht durch die Strecke begrenzt, d. h. es ist noch kein Entgegenkommender sichtbar, nutzen die Überholer Sichtweiten von 405 m zum Überholen. Ist dagegen der Entgegenkommende bereits im Blickfeld, wird die Überholung bei deutlich größeren Sichtweiten bzw. Abständen zum Entgegenkommenden von 620 m begonnen. Es wird also ein höheres Risiko in Kauf genommen, wenn noch kein Entgegenkommender sichtbar ist. Während der Überholung fahren die Überholten mit einer konstanten Geschwindigkeit. Die Geschwindigkeit der Überholer steigt während des gesamten Überholvorgangs. Dabei hängt die mittlere Geschwindigkeit des Überholers von der mittleren Geschwindigkeit des Überholten ab. Während der Überholung ergibt sich eine mittlere Geschwindigkeitsdifferenz von 25 km/h. Das Fahrverhalten der Entgegenkommenden zeigt, dass diese ihre Geschwindigkeit nur dann reduzieren, wenn sie zu Überholbeginn eine höhere Geschwindigkeit als die zulässige Höchstgeschwindigkeit haben. Andernfalls fahren sie mit konstanter Geschwindigkeit weiter. Auf der Grundlage der Messergebnisse wurden Empfehlungen für die erforderliche Überholsichtweite auf zweistreifigen Landstraßen unter Nutzung des Gegenverkehrsfahrstreifens abgeleitet sowie Empfehlungen für die Markierung von Fahrstreifenbegrenzungen formuliert. Als Modellgrundlage wurden beschleunigte Pkw/Lkw-Überholungen mit Gegenverkehr herangezogen. Den Modellen wird das 50. Perzentil zugrunde gelegt. Die entwickelten Modelle bzw. die abgeleiteten Empfehlungen gelten dabei einheitlich für Straßen der EKL 2 und EKL 3. Die erforderliche Überholsichtweite ergibt sich als Summe der Wege von Überholer (210 m) und Entgegenkommenden (220 m) sowie dem Sicherheitsabstand zwischen beiden Fahrzeugen am Ende der Überholung (140 m) zu 570 m. Die in den RAL (2012) festgelegte erforderliche Überholsichtweite von 600 m wird somit durch die vorliegende empirische Untersuchung grundsätzlich bestätigt und deren Beibehaltung empfohlen. Die in dieser Arbeit abgeleiteten Praxisempfehlungen für die Anwendung des Zusatzzeichens Z 1049-11 gelten für langsame Fahrzeuge mit Geschwindigkeiten bis zu 40 km/h. Die erforderliche Sichtweite für das Überholen langsamer Fahrzeuge setzt sich zusammen aus dem erhobenen Weg des Überholers (100 m), dem Weg eines Entgegenkommenden (170 m) und einem notwendigen Sicherheitsabstand zwischen beiden am Ende der Überholung (140 m). Für die daraus berechnete Überholsichtweite für den langsamen Verkehr wurde der Wert aus Gründen der Zweckmäßigkeit für die Umsetzung im Regelwerk auf 400 m gerundet. Im Vergleich zu den Empfehlungen der RAL (2012) ist die abgeleitete erforderliche Sichtweite für das Überholen langsamer Fahrzeuge damit um 100 m länger. Der Mindestwert der RAL (2012) von 300 m kann damit nicht bestätigt werden. Es wird empfohlen, die Vorgaben der RAL (2012) zu prüfen. Weiterhin wird angeregt, die Anwendung des Zusatzzeichens Z 1049-11 auf Fahrzeuge mit einer Geschwindigkeit bis 40 km/h zu erweitern bzw. die Optik des Verkehrszeichens (abgebildeter Traktor) anzupassen, um Widersprüche bzw. Missverständnisse auszuschließen. Für die Empfehlungen zur Anordnung von Fahrstreifenbegrenzungen wurde der Passierweg (150 m) herangezogen. Dies ist der Weg, den ein Überholer ab der Bug-Heck-Stellung benötigt, um den Überholvorgang zu beenden. Zusammen mit dem Weg des Entgegenkommenden (170 m) und einem Sicherheitsabstand zwischen beiden Fahrzeugen (140 m) ergibt sich die erforderliche Überholsichtweite zum Beenden des Überholvorgangs von gerundet 450 m. Eine Fahrstreifenbegrenzung soll demnach angeordnet werden, wenn die vorhandene Sichtweite einen Wert von 300 m unterschreitet. Davor ist auf einer Länge von 150 m eine Warnlinie mit Vorankündigungspfeilen aufzubringen. Die abgeleiteten Empfehlungen sollen bei der Fertigstellung der RMS, Teil L als Diskussionsgrundlage für die Anordnung der Fahrstreifenbegrenzung in Bezug auf die Länge der Warnlinie mit Vorankündigungspfeilen dienen.
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