Popis: |
β-Carboline sind heterozyklische Indolalkaloide, die ubiquitär in unserer Umwelt und Nahrung vorkommen, aber auch endogen aus Tryptophan gebildet werden können. Aufgrund der strukturellen Verwandtschaft bestimmter β-Carboline zu dem dopaminergen Neurotoxin MPP+ wird ein möglicher Beitrag zur Pathogenese der Parkinson-Krankheit diskutiert. MPP+ ist seit langem für seine selektive Toxizität gegenüber dopaminergen Neuronen und das Auslösen von Parkinsonsymptomen bekannt. Insbesondere 2,9-DiMe-BC wurde in erhöhter Konzentration in der lumbalen cerebrospinalen Flüssigkeit von Parkinsonpatienten detektiert, jedoch nicht in Kontrollprobanden. Eine Inhibierung von Komplex I der mitochondrialen Atmungskette und eine selektive Toxizität auf DA Neurone konnten nachgewiesen werden. Die genauen Mechanismen des Zelltodes bleiben jedoch ungeklärt. Im Rahmen dieser Arbeit wurden die Mechanismen des Zelltodes, ausgelöst durch 2,9-DiMe-BC, in dopaminergen Primärzellkulturen des Mesencephalons von C57Bl/6-Mäusen untersucht. Drei weitere BC 2-Me-BC, 9-Me-BC und 1,9-DiMe-BC standen für Untersuchungen zur Verfügung. In ersten Experimenten wies 9-Me-BC und 1,9-DiMe-BC keine Toxizität gegenüber DA Neuronen auf. Aufgrund der höheren Toxizität von 2,9-DiMe-BC verglichen mit 2-Me-BC wurden nachfolgende Experimente mit dem zweifach methylierten BC durchgeführt. Durch die Behandlung mit 2,9-DiMe-BC konnte ein höherer Verlust der DA Neurone gegenüber anderen neuralen Zellen festgestellt werden. Eine selektive Aufnahme über den Dopamintransporter und damit verbundene Schädigung der DA Neurone, wie bei MPP+, konnte nicht nachgewiesen werden. Für 2,9-DiMe-BC wurde eine LC50 der DA Neurone von 14,1 µM und für MPP+ von 4,4 µM bestimmt. 2,9-DiMe-BC verursachte in der Gesamtkultur eine erhöhte Entstehung von reaktiven Sauerstoffspezies und eine gesteigerte Laktatproduktion. In diesem Zusammenhang kann eine Hemmung von Komplex I der Atmungskette vermutet werden. Des Weiteren konnte eine Verringerung des mitochondrialen Membranpotentials und des ATP-Gehaltes gemessen werden. Eine Aktivierung des apoptotischen Zelltodes wurde mit einer erhöhten Aktivität von Caspase-3 nachgewiesen. Durch die Behandlung mit 2,9-DiMe-BC wurde in der Primärzellkultur jedoch auch in erhöhtem Maß Nekrose ausgelöst. Dabei wurde eine höhere Sensitivität von jüngeren Kulturen (8. DIV) gegenüber älteren (10. DIV) festgestellt. Genexpressionsanalysen konnten das Auslösen von oxidativem Stress und Apoptose durch 2,9-DiMe-BC bestätigen, da mehrere Gene dieser Prozesse hochreguliert wurden. Des Weiteren wurden Gene reguliert, die im Zusammenhang mit der Hitzeschock-Antwort, Entzündungsprozessen, DNA-Schädigung und Reparatur, Zellalterung und Proliferation stehen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass 2,9-DiMe-BC die Mitochondrienaktivität hemmt, sowohl nekrotische als auch apoptotische Prozesse in der dopaminergen mesencephalen Primärzellkultur auslöst und die Entstehung von oxidativem Stress eine zentrale Rolle spielt. Der zweite Teil dieser Arbeit beschäftigte sich mit der Untersuchung von unerwarteten neuroprotektiven Effekten von 9-Me-BC in der Primärzellkultur. Durch die Behandlung mit 9-Me-BC verringerte sich die LDH-Freisetzung und reduzierte sich die Anzahl der nekrotischen Zellen um 50 %. Nach 24 h konnte eine verminderte Caspase 3-Aktivität gemessen werden, die allerdings nach 48 h im Vergleich zur Kontrolle wieder zunahm. Hier wären längerfristige Untersuchungen zur Klärung dieser Frage anzuschließen. Des Weiteren erhöhte sich der intrazelluläre ATP-Gehalt. Möglicherweise fand eine energieabhängige Verschiebung von Nekrose zu Apoptose statt. Genexpressionsanalysen zeigten, dass verschiedene Gene von inflammatorischen und apoptotischen Signaltransduktionswegen herrunterreguliert wurden. Überraschenderweise erhöhte sich nach der Behandlung mit 9-Me-BC die Anzahl DA Neurone konzentrationsabhängig um bis zu 20 %. Diese Beobachtung ist neu und wurde über noch kein anderes BC berichtet. Der Effekt wurde durch die Inhibierung des DAT aufgehoben und lässt eine DAT-abhängige Aufnahme von 9-Me-BC vermuten. Die signifikante Erhöhung der Anzahl beschränkte sich nur auf DA Neurone, während sich der Gesamtanteil der Neurone nur geringfügig erhöhte und die übrigen Zellen unbeeinflusst blieben. Zusätzlich wurden ein erhöhter intrazellulärer DA-Gehalt und eine gesteigerte Aufnahme von [3H]DA um 20 % nachgewiesen. Die [3H]DA-Aufnahme und morphologische Untersuchungen zeigten funktionale und reife DA Neurone, es wurde aber auch die Theorie der Neuentstehung durch mögliche Differenzierungsprozesse untersucht. Interessanterweise wurde die Genexpression von einem breiten Spektrum neurotropher Faktoren (Shh, Wnt1, Wnt5a) und Transkriptionsfaktoren (En1, Nurr1, Pitx3), die für die Differenzierung und Entwicklung DA Neurone entscheidend sind, durch die Behandlung mit 9-Me-BC hochreguliert. Zusätzlich erhöhte sich die Expression der DA Markergene Aldh1a1, Dat und Th. Dabei war die Hochregulierung der Genexpression bei allen Faktoren bis auf Shh und Wnt1 von der Anwesenheit des BC abhängig. Ein weiterer Aspekt, der auf eine Differenzierung hindeuten könnte, war die verringerte Anzahl mitotischer BrdU-positiver Zellen. Das Erscheinen DA Neurone könnte also auf Differenzierung und Entwicklung von undifferenzierten Zellen oder Vorläuferzellen beruhen. Jedoch wäre auch eine Induktion der TH von vorher TH-negativen Zellen denkbar. Eine weitere Erklärung könnte das Vorherrschen eines dynamischen Gleichgewichts von Absterben und Neuentstehung DA Neurone innerhalb der Primärzellkultur sein und der Absterbeprozess durch protektive Effekte von 9-Me-BC unterbunden wurde. Zukünftige Experimente sollten zu einer weiteren Aufklärung, der diesem Phänomen zu Grunde liegendenen Mechanismen beitragen. Auch durch die Behandlung mit dem Harman 1,9-DiMe-BC erhöhte sich die Anzahl der DA Neurone konzentrationsabhängig, jedoch erwies sich im Vergleich zu 9-Me-BC nur eine Konzentration von 50 µM als signifikant. Innerhalb dieser Arbeit wurden auf Genexpressionsebene mit Hilfe von Microarrays und qRT-PCR mögliche neuroprotektive Effekte des Dopaminagonisten Lisurid im gleichen Zellkulturmodell untersucht. Lisurid gehört zur Substanzklasse der Ergotalkaloide und wird zur Behandlung der Parkinson-Krankheit eingesetzt. Bei Voruntersuchungen in der DA mesencephalen Primärzellkultur wies Lisurid eine protektive Wirkung für DA Neurone gegen Glutamattoxizität auf. Durch qRT-PCR konnten nur 50 % der ausgewählten Gene der Microarraydaten validiert werden. Nach 24 h Behandlung mit Lisurid wurde die Genexpression von dem Transportprotein Transthyretin (Ttr) hochreguliert, dessen erhöhte Biosynthese und Sekretion interessanterweise mit einer Verminderung der Aggregation des Amyloid-β-Proteins assoziiert wird. Die Genexpression der Aldoketoreduktase 1c20 (Ark1c20) wurde um 50 % herrunterreguliert. Die Bedeutung dieses Ergebnisses bedarf weiterer Abklärung, da eine gewebspezifische Expression bisher nur für die Leber gefunden wurde. Das Thyroidhormonrezeptorbindende Protein 3 (Thrap3), die Mitogen aktivierte Kinase Kinase Kinase 12 (Map3k12) und der G-Protein gekoppelte Rezeptor 27 (Gpr27) waren in ihrer Genexpression hochreguliert. Ein Einfluss von Lisurid auf Signaltransduktionswege konnte somit nachgewiesen werden. Des Weiteren wurde durch Lisurid die Expression der Transkriptionsfaktoren NeuroD1 und Tcf3 hochreguliert, die in Differenzierungsprozesse involviert sind. NeuroD1 gilt dabei als proneurales Gen und ist somit möglicherweise an Vorgängen der Neuroprotektion beteiligt. Keines der validierten differentiell exprimierten Gene des 24 h Experimentes war nach einem Behandlungszeitraum von 6 h reguliert. Die Änderungen der Genexpression nach Preinkubation mit Lisurid und anschließender Glutamatbehandlung und Behandlung mit Glutamat allein überschnitten sich weitestgehend. Demnach war vor allem die Glutamatbehandlung für die differentielle Genexpression verantwortlich. Eine zusätzliche Neusynthese von radikalfangenden Proteinen durch Preinkubation mit Lisurid konnte auf Genebene nicht gefunden werden. Es ist jedoch nicht auszuschließen, da eine Regulation auf post-transkriptioneller Ebene möglich ist. |