Ukrainische Musik: Idee und Geschichte einer musikalischen Nationalbewegung in ihrem europäischen Kontext

Autor: Kyyanovska, Luba, Loos, Helmut, Wünsche, Stephan, Sagner, Franziska
Jazyk: English<br />German
Rok vydání: 2013
Předmět:
Druh dokumentu: Kniha
Popis: Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs, der Europa über vierzig Jahre lang geteilt hat, wird vielerorts nicht nur in der Ukraine und in Deutschland ein Zusammenwachsen des alten Kontinents erwartet und erhofft. Die Kunst erscheint als ein probates Mittel dafür, gibt es doch von der Architektur bis zur Musik unübersehbare historische Zusammenhänge, die sich mit den Verschiebungen zwischen Alt- und Neueuropa entwickelt haben. Doch abgesehen von einer kurzfristigen Aufmerksamkeit für den Begriff ‚Mitteleuropa‘ in den 1990er Jahren hat sich im deutschsprachigen Raum leider kein breiteres öffentliches oder wissenschaftliches Interesse an der Kultur des östlichen Europa bemerkbar gemacht. Erschreckend ist vielmehr die Beobachtung, dass alte Vorurteile allenthalben bemüht werden und den Kontakt systematisch behindern oder gar unterbinden. Insbesondere in der Musikwissenschaft, die sich mit der Kunst beschäftigt, die ihren gesellschaftlichen Anspruch von der Behauptung ableitet, dass sie eine allgemeinverständliche Sprache sei, bei der „alle Menschen Brüder“ werden, hat sich seit der ernüchternden Bestandsaufnahme des Jahres 1992 keine Änderung abgezeichnet. Im gesamten deutschen Musikleben ist vielmehr zu beobachten, dass die Sympathie, die osteuropäischen Musikern in Zeiten des Kalten Krieges entgegengebracht wurde, sich in scharfe Abgrenzung gewandelt hat. Im Zusammenhang mit der Tagung aus dem Jahre 2006, die dieser Band dokumentiert, ist auch ein Konzert mit dem Mitteldeutschen Rundfunk veranstaltet worden. Die Kommentare, die von Kulturverantwortlichen im Anschluss daran geäußert wurden, waren von einer intellektuellen Arroganz gekennzeichnet, die an schlimmste Zeiten rassistisch motivierter Überlegenheitsphantasien erinnerte. Die Musik ist immer noch ein Medium, bei dem tief verankerte Vorurteile und Ängste zum Vorschein kommen, die nur zu leicht mit blumiger ästhetischer Argumentation vernebelt werden können. Hier wird ein Weltkrieg der Nationalkulturen fortgesetzt, wie wir ihn im 20. Jahrhundert voll ausgebildet finden, und der sich von der Vorstellung durch Kunst höher gebildeter Menschen zu einem sozialdarwinistisch begründeten Herrschaftsanspruch entwickelt hat. Weite Teile deutscher Musikwissenschaft spielen hier eine unrühmliche Vorreiterrolle, erinnert sei an Vladimir Karbusickys treffende Kritik an Hans Heinrich Eggebrecht, die er formulierte, lange bevor enthüllt wurde, dass Eggebrecht während des Zweiten Weltkriegs zu einer in Kriegsverbrechen verstrickten Einheit gehörte. Selbst vehemente Kritiker nationalsozialistischer Verflechtungen deutscher Musikwissenschaftler wie Albrecht Riethmüller bringen für die Eigenheiten der Musikgeschichte im östlichen Europa kein Verständnis auf. Da wundert es kaum noch, dass Informationen über die Musikgeschichte im östlichen Europa, speziell zu ukrainischer Musik, in deutscher (oder englischer) Sprache Mangelware sind. Der vorliegenden Band möchte ein Signal der Hoffnung aussenden, dass die reiche und interessante ukrainische Musikkultur das deutsche Auditorium beeindrucken und faszinieren möge, bildet sie doch einen wichtigen Teil europäischer Musikkultur in Vergangenheit und Gegenwart.
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