In wiefern sind wir schon (oder noch) 'Demokraten'?

Autor: Klages, Helmut
Rok vydání: 2020
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Zdroj: Zeitschrift für Politik, 67, 3, 294-313
Druh dokumentu: Zeitschriftenartikel<br />journal article
ISSN: 0044-3360
DOI: 10.5771/0044-3360-2020-3-294
Popis: Ungeachtet aller Bemühungen um die Zustandsmessung der Demokratie und die Sorge um ihre zukünftige Entwicklung war die elementare Frage, inwieweit die einzelnen Mitglieder der Gesellschaft eigentlich "Demokraten" sind, erstaunlicher Weise kaum jemals aufgeworfen worden. Wendet man sich dieser Frage zu, dann gelangt man zu einem ambivalenten Ergebnis. Um dieses Ergebnis zu erzielen, muss man allerdings hinter die bekannten - für die Beantwortung der gestellten Frage aber keineswegs bedeutungslosen - Tatsachen eines absinkenden Parteienvertrauens, einer absinkenden Wahlbeteiligung, oder z.B. auch eines rückläufigen Stammwähleranteils zurückfragen und die elementare Tatsache ins Auge fassen, dass das Angebot einer Parteimitgliedschaft von der Bevölkerungsmehrheit von allem Anfang an nur spärlich angenommen wurde. Die "Parteiendemokratie" erscheint von daher einem problematischen Licht. Auch eine hohe "Demokratiezufriedenheit" und ein anwachsendes "politisches Interesse" vermögen über diesen Befund nicht hinwegzutäuschen. Dagegen verbirgt sich in dem - manchen Behauptungen zuwiderlaufenden - Fortbestehen der Anziehungskraft bestimmter Eigenschaften des politischen Spitzenpersonals eine bisher oft noch beiseitegeschobene Chance, die Systemzuwendung breiterer Bevölkerungsteile zu stärken.
Irrespective of ongoing attempts at analyzing the quality of democracies and speculating about its future development, the elementary question, whether the majority of the individual members of society are 'democrats', has rarely been raised. Indeed, it is necessary, to look behind the well-known - although by no means unimportant - facts of a fading trust in political parties, of a growing unsteadiness of voting behavior, or a diminishing identification with political institutions, and to take into consideration the very elementary fact that the offer of acquiring membership in political parties was from the very beginning astonishingly seldom accepted by the majority of the population. Considering that fact, the whole context of 'party democracy' seems to slide. Even high levels of 'satisfaction with democracy' and 'interest in politics' are not appropriate to reconcile with this very fact. In contrast to that, the enduring attraction of certain personality traits of leading figures on the political stage offers - regardless of its frequent denial - a high potential of political mobilization and integration of the 'lonely crowd'.
Databáze: SSOAR – Social Science Open Access Repository