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Alle modernen westlichen Verfassungen stehen vor dem Problem der richtigen Machtverteilung in der Ausübung der öffentlichen Gewalt. Die meisten Lösungsansätze sind mit dem Gewaltenteilungsprinzip verknüpft. Dessen praktische Umsetzung ist jedoch problematisch. Zum einen erweist sich die strikte Abgrenzung der Gewalten als unmöglich, zum anderen birgt jede Einräumung wechselseitiger Kontroll- und Verhinderungskompetenzen die Gefahr einer fruchtlosen Konfrontation und Blockade der beteiligten Organe. Der Gedanke des Interorganrespekts als notwendiges Komplementärprinzip der Gewaltenteilung zeigt einen Weg zur rechtlichen Bewältigung dieser Probleme auf. Er wirkt in dreifacher Weise: Die Vorgabe einer organadäquaten Funktionenzuordnung erlaubt eine Veränderung der klassischen Gewaltenteilungskonzeption; das Gebot wechselseitiger Rücksichtnahme der Verfassungsorgane aufeinander sichert die damit bestimmten Funktionsbereiche auch in Fällen zweifelhafter Kompetenzzuweisung gegen Übergriffe; und eine allgemeine Verpflichtung der Organe zu konstruktivem Zusammenwirken soll die Wahrscheinlichkeit von Entscheidungsblockaden minimieren. Wie ein Vergleich der Verfassungssysteme Deutschlands und der USA sowie des Vertragssystems der Europäischen Union demonstriert, gehören diese Postulate zum Konsens all jener Verfassungsordnungen, die auf ihrer obersten Ebene mehrere Verfassungsorgane als gleichberechtigte Entscheidungsträger nebeneinander installieren. Damit wird die Notwendigkeit des Interorganrespekts als grundlegendes Verfassungsprinzip deutlich. |