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Mit dem ErbRÄG 2015 hat sich der Gesetzgeber zum Ziel gesetzt, die zum Großteil noch aus dem Jahre 1811 stammenden erbrechtlichen Bestimmungen sowohl sprachlich als auch inhaltlich zu reformieren und so an die geänderten Interessen des 21. Jahrhunderts heranzuführen. Dabei wurde insbesondere das Pflichtteilsrecht umfassend neu geregelt. Der Gesetzgeber hat sich dabei mit der Thematik auseinandergesetzt, wie eine Minimierung der Belastung des Erben aufgrund drohender Pflichtteilsansprüche geschehen kann; insbesondere dann, wenn eine Gefahr der Zerschlagung eines Unternehmens dadurch besteht, dass der Erbe zur Entrichtung der Geldpflichtteile genötigt ist. Um solche Gefahren zu vermeiden, wurde nach dem Vorbild punktueller Stundungsregelungen in § 14 WEG 2002 und § 12 f Anerbengesetz die Möglichkeit von Stundungen und Ratenzahlungen eingeführt. Einerseits legt § 765 Abs 2 ABGB eine gesetzlich angeordnete reine Stundung fest, wonach der Pflichtteilsberechtigte seinen Pflichtteilsanspruch erst ein Jahr nach dem Tod des Verstorbenen fordern kann. Andererseits wurde durch §§ 766 f ABGB die Möglichkeit der letztwillig und gerichtlich angeordneten Stundung eingeführt. Dies soll der Entlastung der Erben dienen, indem der Pflichtteil auf längstens fünf Jahre (bzw in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf bis zu zehn Jahre) gestundet wird. Der OGH hat sich erstmals in der E 2 Ob 49/19y zur neuen Rechtslage der Pflichtteilsstundung geäußert und bestätigte dabei das Konzept der reinen Stundung. Zugleich befasste er sich mit der Möglichkeit der gerichtlichen Geltendmachung des Pflichtteilanspruchs während der laufenden Stundungsfrist. Die Beziehung der Bestimmungen zu Pflichtteilsstundung und Pflichtteilsdeckung zueinander ist komplex. Das Spannungsverhältnis wurde bereits in den ersten Stellungnahmen zum ErbRÄG 2015 diskutiert. Einerseits normiert § 766 Abs 1 S 2 die Möglichkeit von Stundungen bei Zuwendungen der Pflichtteilsdeckung, beschränkt diese aber zeitlich auf fünf bzw zehn Jahre. Andererseits sind iSd § 762 ABGB Vermögenszuwendungen mit anhaftenden Bedingungen oder Belastungen zur Pflichtteilsdeckung ohne jegliche (ausdrückliche) Beschränkung geeignet; der Pflichtteilsberechtigte muss somit jede Einschränkung seines Pflichtteils in Kauf nehmen. Es ist daher fraglich, ob und inwieweit ein Widerspruch zwischen den §§ 762 und 766 ABGB vorliegt und wenn ja, ob und wie sich dieses Verhältnis durch die anerkannten Auslegungsmethoden lösen lässt. Im folgenden Beitrag wird das neue Pflichtteilsrecht, insbesondere die Pflichtteilsstundung umfassend untersucht und dargestellt. Ziel dieser Arbeit ist, zunächst auf allgemeine Grundzüge des Pflichtteilsrechts und sodann auf die Ausgestaltung der neuen Pflichtteilsstundung samt Kritikpunkten einzugehen. Dabei wird auch auf die neue Rechtsprechung zur Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs bei einer Pflichtteilsstundung eingegangen. Zudem soll daran anschließend das Verhältnis der Pflichtteilsstundung und der Pflichtteilsdeckung zueinander samt Meinungsstand beleuchtet werden. eingereicht von Susanna Eder Universität Linz, Diplomarbeit, 2019 (VLID)4625358 |