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⦁ Hintergrund und Ziele Der Alkoholismus hat in Deutschland eine große gesundheitliche Bedeutung. Es wird geschätzt, dass bis zu 1,9 Millionen Erwachsene alkoholabhängig sind. Bei alkoholkranken Patienten zeigten mehrere Studien eine Hypermethylierung verschiedener Gene, deren Transkription dadurch inhibiert wird. Außerdem weisen verschiedene Studien Veränderungen des mTOR-Signalwegs bei Alkoholkonsum in verschiedenen Organen im Tierversuch oder in der Zellkultur nach. Die Serin/Threonin-Kinase mTOR spielt eine zentrale Rolle in einem Signalnetzwerk, welches Zellwachstum, Proliferation und Überleben mit Umweltfaktoren koordiniert. Es wirkt fördernd auf anabole Prozesse wie Transkription, Translation, Proteinsynthese, Lipid- und Glucosestoffwechsel, Ribosomenbiosynthese, Nukleotidsynthese sowie Zelldifferenzierung, Zytoskelett, synaptische Plastizität und hemmend auf die Autophagie. Insbesondere ist die gesteigerte cerebrale mTOR-Aktivität im Nucleus accumbens und im limbischen System an der Bildung und Aufrechterhaltung Alkoholsucht-spezifischer Verhaltensweisen beteiligt. Diese Studie hatte zum Ziel, Unterschiede in der mTOR-Expression und mTOR-Promotormethylierung im peripheren Blut bei Patienten im akuten Alkoholentzug zu verschiedenen Zeitpunkten im Vergleich mit Langzeitabstinenten nachzuweisen. ⦁ Methoden (Patienten, Material und Untersuchungsmethoden) Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um eine offene, nicht-randomisierte, prospektive Fall-Kontrollstudie. Die Fallgruppe besteht dabei aus 41 Patienten aus zwei verschiedenen Kliniken, die sich im akuten Alkoholentzug auf einer geschlossenen Station befanden. Dabei wurden die Entzugssymptome, nicht randomisiert, mit Distraneurin® oder mit Tranxilium® therapiert. Die Kontrollgruppe umfasst 27 abstinente Patienten, die sich einer Langzeitentwöhnung unterziehen. Es erfolgte die Blutentnahme in PAX-Gene RNA- sowie EDTA-Röhrchen in zeitlichem Zusammenhang mit der Durchführung semistrukturierter Interviews an Tag 0, 2 und 7 des Alkoholentzuges. Bei Langzeitabstinenten erfolgten sie einmalig während der Therapie. Zunächst wurde die DNA-Extraktion und anschließend die Bisulfitierung der DNA durchgeführt, um den Methylierungsstatus zu untersuchen. Die zu untersuchende mTOR-DNA-Sequenz wurde mittels PCR amplifiziert, gelelektrophoretisch aufgereinigt und photometrisch quantifiziert. Die Sequenzierung erfolgte in Kooperation mit dem Humangenetischen Institut der Universität Erlangen. Die Auswertung der resultierenden DNA-Sequenzen erfolgte mittels ESME-Software. Für die Genexpressionsanalyse wurde RNA aus den PAX-gene Blood RNA-Tubes extrahiert, mittels Reverser Transkriptase in komplementäre cDNA umgeschrieben und anschließend mittels quantitativer Real Time-PCR untersucht. Die statistische Auswertung erfolgte mithilfe von Gemischten Modellen, Wilcoxon- bzw. T-Tests, Korrelationsanalysen. Das Signifikanzniveau wurde auf α=0,05 festgelegt. ⦁ Ergebnisse und Beobachtungen Die Untersuchung ergab keine Korrelation zwischen der Peptidexpression und der mittleren Methylierung der Promotorregion. Es konnte kein signifikanter Einfluss der Zeit auf die mTOR-Expression nachgewiesen werden (Anova, pZeit=0,263 > α 0,05; 2-seitiger T-Test Entzug vs. Entwöhnung p=0,3 > α 0,05). Allerdings gibt es marginale Effekte. So haben Patienten im akuten Alkoholentzug im Mittel eine höhere mTOR-Expression als Patienten in der Entwöhnungsbehandlung. Diese nicht signifikante Erhöhung der mTOR-Expression kann durch einen gesteigerten mTOR-Signalweg im Hirn, in der Leber oder in einigen anderen Geweben während des Alkoholkonsums oder Entzugs ausgelöst sein. Chronischer Alkoholkonsum und Binge-Drinking-Konsum hat in manchen Geweben, wie im Ncl. accumbens, im cerebralen Kortex oder in den Knochenmarks-Stammzellen sowie in Monozyten einen fördernden Einfluss auf die mTOR-Signalkaskade. Im Gegensatz dazu zeigt sich in Skelett- und Herzmuskelzellen, Magenschleimhaut sowie Lymphozyten eher ein hemmender Einfluss. Die RNA-Expression und das Proteinlevel von mTOR scheint in den meisten Geweben vom Alkoholkonsum nicht beeinflusst zu sein. Die Medikation mit Clomethiazol (Distraneurin ®) oder Dikaliumclorazepat (Tranxilium®) hat einen signifikanten Einfluss auf die mTOR-Expression im Entzug, dabei wurde die mTOR-Expression über die drei verschiedenen Abnahmezeitpunkte gemittelt. Die mTOR-Expression ist bei Patienten, die während des Entzuges mit Distraneurin® behandelt wurden signifikant größer als bei Patienten, die Tranxilium® erhielten (2seitiger T-Test p= 0,0047 < α), sowie gegenüber den Entwöhnungspatienten (2seitiger T-Test p= 0,01 < α). Währenddessen bestehen keine signifikanten Unterschiede zwischen Entwöhnungs- und Tranxilium®-behandelten Patienten (2seitiger T-Test p=0,59 > α). Die Wirkung Clomethiazols auf den mTOR-Signalweg ist bisher in der Literatur kaum untersucht. Es ist möglich, dass Clomethiazol selbst einen fördernden Einfluss auf die mTOR-Expression hat, eine Studie von Zeng lässt dies vermuten. Außerdem ist Clomethiazol ein potenter Inhibitor von dem Cytochrom P450-Enzym CYP2E1, welches gewebeabhängig auf den MAPK-Erk- sowie Akt-Signalweg und damit auf den mTOR-Signalweg wirkt. Ein anderer möglicher Wirkmechanismus wäre, dass Clomethiazol über CYP2E1-Hemmung zu einer positiven Regulation mTORs führt. ⦁ Schlussfolgerungen Clomethiazol wird seit Jahrzehnten zur Therapie der Symptome des Alkoholentzuges genutzt. In dieser Studie fand sich eine mTOR-Expressionsteigerung bei Patienten, die mit Clomethi-azol behandelt wurden. Um den fördernden Einfluss von Clomethiazol auf den mTOR-Signalweg zu untersuchen, sind weitere Studien nötig. Dabei sollte neben dem mTOR-Gehalt auch die Aktivität bestimmt werden. Eine weitere Fragestellung wäre, ob Clomethiazol direkt oder über CYP2E1-Hemmung auf die mTOR-Signalkaskade wirkt, inwieweit es gewebespezifische Unterschiede oder ob es mTORC2-spezifische Einflüsse gibt. In anderen Studien wurde ein protektiver Effekt vom mTOR-Inhibitor Rapamycin auf den Alkoholkonsum und alkoholabhängigkeitsspezifischen Verhaltensweisen gefunden sowie protektive Autophagie fördernde Wirkungen. Eine Kombinationstherapie von Distraneurin® und eines mTOR-Inhibitors könnte die Entzugssymptome und auch das Craving noch effektiver therapieren als die bisherige Medikation. Dies gilt es in weiterführenden Studien zu untersuchen. |