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Extreme Biotope mit z.B. hoher Salinität, extremen pH- Werten und hohen Temperaturen wurden lange Zeit als typisches Habitat für Archaea angesehen. Kultivierungs- unabhängige molekulare Untersuchungen auf Basis ribosomaler RNA- Gensequenzen haben jedoch ihre globale Verbreitung in Nieder- bis Moderattemperatur- Biotopen bewiesen. Bis heute sind diese Archaea quasi nicht kultivierbar und ihre offensichtliche ökologische Signifikanz bleibt nach wie vor verborgen. Vor kurzem entdeckten Mitarbeiter der AG Prof. Dr. Robert Huber im Regensburger Raum ein einzigartiges archaeell/bakterielles Konsortium, welches in Form makroskopisch sichtbarer, neuartiger, mikrobieller Perlenketten in kaltem (10°C), sulfidhaltigen Quellwasser vorkommt. Im Inneren einer Perle formt das neuartige SM1 Euryarchaeon eine Mikrokolonie, die äußere Hülle wird durch filamentöse S- oxidierende Bakterien aufgebaut. Unter aeroben Bedingungen (Sippenauer Moor) bildet das SM1 Euryarchaeon zusammen mit Thiothrix sp., bei geringeren Sauerstoffkonzentrationen (Islinger Mühlbach) zusammen mit dem neuartigen epsilon- Proteobakterium IMB1 eine, vielleicht sogar auf eine Symbiose basierende, stabile Gemeinschaft. Durch eine neu etablierte Methode, der in situ- Kultivierung, ist es gelungen, diese mikrobiellen Perlenkettengemeinschaften schnell und zuverlässig in größeren Mengen an Polyethylennetzen direkt im natürlichen Biotop ('natürlicher Chemostat') zu züchten. Aus ca. 10.000 Perlen, die nun wöchentlich geerntet werden konnten, wurde das SM1 Euryarchaeon durch verschiedene physikalische Sedimentations- und Zentrifugationsschritte bis zu einer Reinheit von ca. 98% von Begleitorganismen separiert. Aufgrund dieser hohen Reinheit, der guten Lebensfähigkeit und der ausreichend gewinnbaren Menge an Zellen konnte die erhaltene, natürlich gewachsene SM1- Fraktion wie eine im Labor züchtbare (Rein-)Kultur biologisch detailliert untersucht werden. Auf diesem Weg konnten z.B. die optimalen physiologischen Bedingungen für das SM1 Euryarchaeon (Temperatur: -2°C bis +30°C; neutraler pH, Niedersalz) bestimmt und die Monophylie der aufgereinigten SM1- Zellen durch Immuno- FISH gezeigt werden. Im Rahmen struktureller Untersuchungen wurden auf der Zelloberfläche jeder der nur etwa 0,6 µm großen SM1- Zellen ca. 100 filamentöse Anhängsel mit einer ungewöhnlich komplexen Struktur entdeckt: nanometerdicke, stacheldrahtartige, in der Zellwand verankerte Filamente tragen an ihren Enden winzige, mit Widerhaken besetzte Tripel- Haken (Ø 60 nm). Da diese Struktur innerhalb der Prokaryonten eine neue Klasse filamentöser Zellanhängsel repräsentiert, wurde für sie die Bezeichnung 'Hamus' (lateinisch für: Haken, Widerhaken, Angel; Plural: 'Hami') vorgeschlagen. Die über eine breite pH- und Temperaturspanne stabilen Hami sind hauptsächlich aus einem 120 kDa Protein aufgebaut, das auch auf genetischer Ebene erfasst werden konnte. Dieses perfekte mechanische Nano- Werkzeug, welches die Natur im Laufe der Evolution für die Zelladhäsion geschaffen hat, könnte sich sogar auf dem Gebiet der Nanobiotechnologie als nützlich erweisen. Das aus dieser Arbeit gewonnene Wissen erweitert unser Verständnis bezüglich unkultivierter, kälte-liebender Archaea als wichtiger Bestandteil von mikrobiellen Gemeinschaften in nicht extremen Ökosystemen. |