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Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist gekennzeichnet durch sich wiederholende, ungewollte Erinnerungen an traumatische Erlebnisse, eine Vermeidung von Erinnerungsreizen sowie eine generelle Übererregbarkeit (DSM-IV, 1994). Aktuellen Theorien zufolge stellt die Veränderung in der Verarbeitung aversiver oder trauma-assoziierter Reize ein Hauptmerkmal der PTSD dar (Ehlers et al., 2000).Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Untersuchung psychophysiologischer Korrelate der Verarbeitung von Bedrohungsreizen bei PTBS. Darüber hinaus soll untersucht werden, ob sich diese Abweichungen durch Psychotherapie verändern lassen.Die Studienteilnehmer (N=78) gehören zu einer der drei Gruppen: Traumaüberlebende mit und ohne PTBS, oder gesunde Kontrollprobanden mit gleichem ethnischen Hintergrund, aber ohne traumatische Lebensereignisse. Wir verwendeten eine steady-state Präsentationstechnik, bei dem 75 IAPS-Bilder in einer Frequenz von 10 Hz für jeweils 4 s präsentiert wurden. Die kortikale Aktivität wurde mit Magnetenzephalographie (MEG) aufgezeichnet. Drei verschiedene psychophysiologische Parameter wurden erhoben: Herzfrequenz, frühe kortikale Aktivierung im Bereich von Millisekunden und überdauernde kortikale Aktivierung bis zu vier Sekunden nach Stimulusbeginn.Bei der Auswertung der Herzfrequenz zeigten die PTBS-Patienten einen unmittelbaren Anstieg der Herzfrequenz und einem Ausbleiben der Orientierungsreaktion gegenüber bedrohlichen Bildern. Die Ergebnisse weisen auf eine gesteigerte und schnelle Fluchtbereitschaft von PTBS-Patienten hin. Ohne den potenziell bedrohlichen Stimulus zunächst genau zu explorieren, befindet sich das autonome Nervensystem dieser Patienten innerhalb kürzester Zeit in maximaler Alarmbereitschaft.Bei der Auswertung der ersten 300 ms neuronaler Aktivität während der affektiven Bildverarbeitung zeigten Patienten mit PTBS Hinweise auf ein zweiphasisches kortikales Reaktionsmuster. PTBS-Patienten zeigten bereits in den ersten 130 ms, im Vergleich zu neutralen oder angenehmen Bildern, eine erhöhte Aktivierung in rechts präfrontalen Hirnregionen. Dieser Aktivierung folgte in zeitlicher Latenz eine Abnahme der Reaktion in parieto-okzipitalen Arealen. Die Ergebnisse unterstützen die Annahme, dass bei PTBS-Patienten ein früher Detektionsprozess von Bedrohungsreizen stattfindet, der einer Abwendung der Aufmerksamkeit vorausgeht. Insofern sind unsere Ergebnisse vereinbar mit der Hypothese eines Übererregungs-Vermeidungs-Musters gegenüber Bedrohungsreizen bei Angststörungen (Mogg et al., 2004).Um zu untersuchen, ob die frühe Abwendung der Aufmerksamkeit von Bedrohungsreizen über längere Zeit anhält, analysierten wir zusätzlich die überdauernde kortikale Reaktion auf affektive Reize. PTBS-Patienten als auch bei Traumakontrollen zeigten eine reduzierte kortikale Aktivierung in okzipitalen Regionen bei der Präsentation aversiver Bilder. Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Vermeidung der gezielten Aufmerksamkeitslenkung auf bedrohliche Reize bis zu 4 s bestehen bleibt.Als Schwerpunkt der Arbeit wurde der Frage nachgegangen, inwieweit sich die neuropathologischen Abweichungen in der emotionalen Verarbeitung durch Psychotherapie verändern lassen. In einer randomisierten, kontrollierten Therapiestudie wurden 34 Patienten mit PTBS einer Behandlungsgruppe mit Narrativer Expositionstherapie (NET) bzw. einer Wartelisten-Kontrollgruppe zugeteilt. Die therapierten Patienten zeigten nach 4 Monaten eine signifikante Zunahme der kortikalen Aktivität gegenüber bedrohlichen Reizen in parietalen und okzipitalen Hirnregionen. In Kenntnis der hohen Relevanz parietaler Strukturen beim episodischen Gedächtnisabruf deutet die verstärkte Aktivierung in diesen Arealen auf eine willentlich gesteuerte Gedächtnissuche hin, die durch NET trainiert wurde. Unsere Ergebnisse geben Hinweise darauf, dass Narrative Expositionstherapie die kortikale top-down' Regulierung von Aufmerksamkeitsressourcen gegenüber bedrohlichen Reizen wieder herstellt und einen verbesserten Gedächtnisabruf ermöglicht.Zusammenfassend zeigt diese Arbeit, dass PTBS durch ein spezifisches physiologisches Reaktionsmuster gegenüber bedrohlichen Reizen gekennzeichnet ist, das sich durch Narrative Expositionstherapie verändern lässt: PTBS-Patienten reagieren mit einer unmittelbaren Aktivierung des autonomen Nervensystems, was ihre Bereitschaft für eine rasche Flucht/Kampf Reaktion widerspiegelt. Die kortikale Verarbeitung von Bedrohungsreizen zeichnet sich durch ein zweiphasisches Übererregungs-Vermeidungs-Muster aus. Die schnelle Zunahme der kortikalen Aktivität in präfrontalen Arealen weist auf ein frühes Alarmsystem bei potenzieller Bedrohung hin. Diese Reaktion ist gefolgt von einer reduzierten sensorischen Verarbeitung, die bis zu einigen Sekunden anhält. Dies stellt vermutlich eine Vermeidung der detaillierten Exploration potenzieller Bedrohung dar. Diese Abweichungen in der kortikalen Reaktion bei PTBS-Patienten lassen sich durch Narrative Expositionstherapie (NET) verändern. Nach der Therapie sind NET-Patienten in der Lage, kognitive Vermeidungsmechanismen gegenüber Bedrohungsreizen zu reduzieren und damit eine adäquatere Verarbeitung dieser Reize zu ermöglichen. Die Stärkung der willentlichen Gedächtnissuche durch NET ist notwendig, um die aktuelle Situation vor dem Hintergrund früherer Erlebnisse zu bewerten. Möglicherweise steht die Veränderung in der neuronalen Verarbeitung trauma-assoziierter Reize im Zusammenhang mit der Reduktion der PTBS-Symptomatik nach der Therapie. |