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Verhaltensmodernität als Konzept beschreibt die Spanne von Verhaltensweisen heutiger Menschen. In der Archäologie ist dieses Set von Verhalten mit der Frage verbunden, wann und wie sie entstanden sind. Der Begriff selbst reflektiert die erste konzise Konzeptualisierung von Verhaltensmodernität, die auch der Dichotomie von Verhalten anatomisch moderner Menschen und Neanderthalern beruhte. Die physischen Manifestationen von Verhalten, das als modern angesehen wurde, wurde in einer Liste zusammengefasst. Die dort aufgeführten Charakteristika umfassen eine technologische, eine symbolisch und eine organisatorische Dimension, wobei letzte in Mensch-Umwelt-Interaktion und die räumliche Organisation von Fundstellen weiter unterteilt werden kann. Die Debatte bewegte sich über die letzten vier Jahrzehnte weg von einem Ansatz, der die simple An- bzw. Abwesenheit bestimmter Merkmale von der Liste in der archäologischen Überlieferung als Evidenz für Verhaltensmodernität ansah. Die Merkmale der Liste sind jedoch immer noch von Bedeutung, da sie den archäologischen Befund mit dem Konzept der Verhaltensmodernität verbinden. Jedes Merkmal benötigt eine theoretische Rechtfertigung, um als physische Evidenz für modernes Verhalten in der Vergangenheit zu gelten. Diese Dissertation fokussiert auf zwei technologische Aspekte von Verhaltensmodernität – mikrolithische Technologie im südafrikanischen Middle Stone Age und Later Stone Age (MSA und LSA) sowie mittelpaläolithische Birkenpechherstellung. Mikrolithische Technologie und Birkenpech werden gemeinhin mit Kompositgeräten in Verbindung gebracht, welche auf Basis ihrer Komplexität als Marker für Verhaltensmodernität angesehen werden. Zusätzlich wurde angenommen, dass Birkenpech nur unter Sauerstoffabschluss entstehen kann, weswegen der Produktionsprozess selbst als komplex angesehen wird. Weiterhin wird die Überschneidung zwischen Steintechnologie und Symbolismus anhand der Standardisierung von Mikrolithen beleuchtet. Auf Basis von Steinartefakten der spätpleistozänen LSA-Schichten von Umbeli Belli, der Lamellen aus sechs Sibudan-Schichten und rückengestumpften Stücken aus vier Howiesons Poort-Schichten von Sibhudu (beide Südafrika), werden Fragen zum Ursprung des LSA und der Standardisierung von Steinartefakten im MSA erörtert. Dabei wird die postulierte Verbindung zwischen mikrolithischer Technologie und Verhaltensmodernität ebenso untersucht wie die Verbindung zwischen dem Aufkommen des LSA, welches manchmal mit dem regionalen Erscheinen von Verhaltensmodernität korreliert wird. Eine Serie von hauptsächlich experimentalarchäologischen Studien zu mittelpaläolithischer Birkenpechherstellung des Neanderthalers erkundet technologische Komplexität außerhalb des H. sapiens. Die Nutzung technologischer Komplexität als Marker für Verhaltensmodernität ist jedoch nicht unproblematisch. Zunächst ist Komplexität generell nicht leicht zu messen und im Besonderen nicht in archäologischen Kontexten. Weiterhin, selbst unter der Voraussetzung ein „korrektes“ Maß für Komplexität anzuwenden, ist der errechnete Wert ohne Kontextualisierung bedeutungslos. Daher muss Komplexität immer mindestens einen weiteren Referenzpunkt haben und dieser ist oft willkürlich gewählt. Zuletzt benötig es eine theoretische Basis, um technologische Komplexität mit Verhaltensmodernität zu verknüpfen. Diese theoretische Verknüpfung muss darauf abzielen, diejenigen kognitiven Mechanismen zu identifizieren, die der Beobachtung in der archäologischen Überlieferung zugrunde liegen. Die theoretische Rechtfertigung, ein Verhalten als modern zu klassifizieren, überschneidet sich dabei mit der Erklärung für das Verhalten selbst. Die in dieser Dissertation vorgestellten Daten werden unter den drei erwähnten Paradigmen untersucht und ihre Eignung als Proxymarker für Verhaltensmodernität untersucht. Die Dissertation präsentiert neue Daten zu drei verschiedenen Charakteristika, die als Indikatoren für Verhaltensmodernität angesehen werden und evaluiert, ob diese Charakteristika als solche angesehen werden können und warum beziehungsweise warum nicht. Sowohl mikrolithische Technologie als auch Birkenpechherstellung sind als Marker für ein Konzept von Verhaltensmodernität geeignet, das eine technologische Dimension einschließt. Für Mikrolithen ist dies auf Basis ihrer Nutzung in Kompositgeräten der Fall, für Birkenpech aufgrund der Komplexität seiner Herstellung. Während die Standardisierung von Steinartefakten sehr wohl Planung und Regularität in der Produktion anzeigt, ist sie als Marker für symbolisches Verhalten nicht geeignet. In den letzten Jahrzehnten haben manche Forscher für eine Aufgabe des Konzepts der Verhaltensmoderne plädiert. Während eine Überarbeitung und Weiterentwicklung des Konzepts weiterhin notwendig ist, scheint eine komplette Aufgabe indes unnötig. Ein Konzept von Verhaltensmodernität, das so viele Aspekte wie möglich einschließt kann mit jüngeren Fortschritten auf den Gebieten der kumulativen Kultur oder der Extended Evolutionary Synthesis verbunden werden. Weiterhin eröffnen Fortschritte in unseren Möglichkeiten jene Aspekte vergangener Gesellschaften zu modellieren, die für die Erklärung des Entstehens von Komplexität von Bedeutung sind, spannende neue Möglichkeiten bei der Beantwortung der Frage wann und wie der Mensch so wurde wie wir. Behavioural modernity is a concept that describes the range of behaviours found in modern humans today. As far as archaeology is concerned with this set of behaviours it is sometimes paraphrased as the question when humans became ‘like us’ and ultimately also how. The term itself is a remnant of the first concise conceptualization which rested on the dichotomy between behaviours displayed by anatomically modern humans and Neanderthals. The physical manifestations of the behaviours that were perceived to be modern were summarized in a list of traits. These traits encompass a technological, a symbolic and an organizational dimension, the latter of which can be further subdivided into human interactions with the environment and spatial organization of sites. Over the past four decades the debate has moved past a simple list-based presence/absence approach, in order to identify modern behaviour in the archaeological record. However, the items on the list still matter because they represent the physical remnants of past behaviours and are therefore connect the archaeological record with the concept of behavioural modernity. A theoretical justification has to be made for each item on the list, in order to see if the physical evidence can be used as an indicator for modern behaviour in the past. This thesis focusses on two technological aspects of behavioural modernity – microlithic technology in the South African Middle Stone Age and Later Stone Age (MSA and LSA) and Middle Palaeolithic birch tar production. Microlithic technology and birch tar are commonly connected with composite tools, which is thought to be a marker of behavioural modernity based on their complexity. Additionally, it was thought that birch tar only forms under oxygen-restricted conditions. Hence, the production process itself was thought to be complex as well. Furthermore, the intersection between stone artefact technology and symbolism is examined by a study on the standardization of microliths. Drawing on lithic artefacts from the Late Pleistocene LSA layers of Umbeli Belli as well as bladelets from six Sibudan layers and backed pieces from four Howiesons Poort layers from Sibhudu (both South Africa), questions about the emergence of the LSA, and artefacts standardization in the MSA are examined. These studies target the presumed link between microlithic technology and behavioural modernity as well as the emergence of the LSA which is sometimes equalled with the regional emergence of behavioural modernity. Moving past H. sapiens, a series of predominantly experimental studies on Middle Palaeolithic birch tar production are used to explore technological complexity in Neanderthals. Using technological complexity as a marker for behavioural modernity is not without issues. Firstly, complexity is not easily measured in general, but particularly not in the archaeological record. Secondly, even if we agreed upon a ‘correct’ measurement complexity is always relative and the resulting value meaningless if not compared to at least one other value. Therefore, measuring complexity calls for a reference point for comparison and this is reference point is chosen notoriously arbitrary. Thirdly, linking technological complexity and behavioural modernity requires a theoretical basis that seeks to identify the underlying cognitive processes necessary to create the observed outcome in the archaeological record. Here, the theoretical justification for a behaviour to be indicative of modernity intersects with potential explanations for its presence. The data presented in the thesis are explored under these paradigms, in order to review their suitability as proxy markers for behavioural modernity. In conclusion, this thesis presents novel data on three different cultural traits that are thought to indicate behavioural modernity. It also provides an evaluation if these traits can be regarded as behaviourally modern and why or why not. Both microlithic technology and birch tar production are suitable markers of a concept of behavioural modernity that includes technological aspects alongside symbolic ones. Microliths because of their use in composite tools and birch tar because of the complexity of its production. While the standardization of lithic artefacts reflects planning and regularity in their production, they are not suitable markers for symbolic behaviour. In the past decades, some researchers have called for the abandonment of behavioural modernity as a concept. And while it needs to be developed and transformed a complete abandonment seems unnecessary. A concept of behavioural modernity that encompasses as many aspects as possible can be tied to recent research in the fields of cumulative culture or Extended Evolutionary Synthesis. Furthermore, advancements in our ability to model some aspects of past societies that are critical to explain complexity provide interesting avenues for future scientific inquiry in when and how past hominins became like us. |