Zukunftsmodell Schweiz - eine Landwirtschaft ohne Gentechnik?

Autor: Brunner, Thomas, Nowack, Karin, Tamm, Lucius, Tappeser, Beatrix, Eckelkamp, Claudia, Weber, Barbara, Köchlin, Florianne, Vogel, Benno
Přispěvatelé: Köchlin, Florianne
Jazyk: angličtina
Rok vydání: 1999
Předmět:
Popis: Wenn die Schweiz darauf verzichtet, genmanipulierte Pflanzen in die Umwelt freizusetzen, so ist dies vor allem auch eine grossartige Marktchance für die Schweizer Landwirtschaft. Denn Gentech-food ist out, in ganz Europa. Die Schweiz könnte dann das liefern, was eine große Mehrheit gerne möchte: naturnahe und gentechfreie Lebensmittel. Die Frage ist bloß: Kann sich die Schweizer Landwirtschaft einen Verzicht auf Gentechnik leisten? Dieser Frage ist die Studie "Zukunftsmodell Schweiz - eine Landwirtschaft ohne Gentechnik?" nachgegangen. Untersucht wurden die sechs Kulturen Kartoffeln, Weizen, Mais, Raps, Salat und Reben. Gentechnische Lösungsansätze und die wichtigen Anbauprobleme der Schweizer Landwirtschaft sind sehr oft nicht deckungsgleich. Die Bekämpfung der problematischsten Schädlinge bei den einzelnen Kulturen steht kaum je auf der Forschungsagenda der Gentechnik. So steht bei der Herstellung transgener Pflanzen die Herbizidresistenz an oberster Stelle. In der Schweiz spielt aber bei den sechs untersuchten Kulturen die Unkrautproblematik nur gerade beim Mais eine große Rolle. Für viele Probleme der Schweizer Landwirtschaft – so etwa für die Salatwurzellaus oder die Graufäule bei Reben, für die wichtigsten Rapsschädlinge Rapserdfloh, Rapsglanzkäfer, Rapsstengelrüssler und Kohlschottengallmücke, bei Septoria- und Fusariosen-Schaderregern im Weizenbau, bei der Stengel- und Kolbenfäule im Maisbau oder bei den verschiedenen Mehltauerregern – bestehen keine oder erst vage gentechnische Ansätze. Im Biolandbau und im integrierten Landbau werden Anbauprobleme und Schadorganismen im Gegensatz zur Gentechnik meistens nicht als isolierte Einzelfaktoren bekämpft. Lösungsansätze bestehen aus einem umfassenden System vieler verschiedener Maßnahmen. Dabei spielen die Vorsorge, die Ursachenbehebung, die Förderung von natürlichen Regulationsmechanismen und Nützlingen eine zentrale Rolle. Zu diesen Lösungs- und Forschungsansätzen gehören unter anderem: gute Anbautechnik (z.B. standortgerechter Anbau, Regulierung des Bestandesklimas, vielseitige Fruchtfolgen, Anbaupausen, ausgewogene Düngung, Förderung der Bodenfruchtbarkeit und des krankheitsabwehrenden Potentials des Bodens mit Kompost), (traditionelle) Züchtung resistenter Sorten (bei der auch genetische Diagnosemethoden Fortschritte bringen könnten), Einsatz von umweltverträglichen Pestiziden und Antagonisten (das sind Räuber der Schädlinge; gegen den Maiszünsler sind zum Beispiel die Schlupfwespe Trichogramma, sowie Bacillus thuringiensis- oder Beauveria bassiana-Präparate bekannt). Prognose- und Frühwarnsysteme versprechen weitere Fortschritte in der Regulierung von Schadorganismen: Kenntnisse über die Biologie und Ausbreitung des Schädlings, die nötigen klimatischen Parameter wie Temperatur, Niederschlag und Luftfeuchtigkeit werden in mathematische Modelle eingespeist. Daraus lässt sich das Infektionsrisiko errechnen, so dass möglichst wenig gespritzt werden muss. In der Schweiz wurden Prognose-Modelle für den Rebbau, den Kernobstbau, den Getreidebau und den Kartoffelbau entwickelt. Sortenmischungen gehören ebenfalls zu den präventiven Methoden, die in allen Anbausystemen angewendet werden. Die Mischung von verschiedenen Sorten kann insgesamt gegenüber Krankheitsbefall resistenter sein, da die Sorten unterschiedlich auf Schaderreger und Umweltbedingungen reagieren. Ein vermutlich großes Potential liegt in der induzierten Resistenz (Anregung der pflanzeneigenen Abwehrfähigkeit gegen Schaderreger), welche sich noch im Forschungsstadium befindet. Die Abwehrbereitschaft kann nicht nur durch durch einen Krankheitserreger ausgelöst, sondern auch durch Substanzen induziert werden, die diesen Angriff nachahmen. Pflanzen können sich somit aktiv gegen Krankheitsbefall wehren. Typischerweise zeigt eine induzierte Pflanze Resistenz gegenüber einer Vielzahl von Pilzen, Bakterien und Viren. Gentechnische Methoden sind nicht nachhaltig. Sie zementieren eine problematische, auf Monokulturen basierende High-input-Landwirtschaft, welche die bekannten Umweltprobleme mitverursacht (Gewässerverschmutzung, Schädigung der Bodenfruchtbarkeit und Artenverlust). Die Freisetzung von gentechnischen Organismen birgt zudem viele unberechenbare und langfristige Risiken (Auskreuzung von transgenem Pollen, Resistenzdurchbrüche, Schädigung von Nicht-Ziel-Organismen, Antibiotika-Resistenzen, unerwartete Positionseffekte, Allergien etc). Unter ökonomischen und sozialen Kriterien der Nachhaltigkeit fällt ins Gewicht, dass gentechnisch veränderte Pflanzen patentiert werden können, konventionell gezüchtete Pflanzen hingegen nicht. Die durch ein Patent garantierten ausschliesslichen Monopolrechte können für die betroffenen Landwirte und vor allem auch für Länder des Südens zu einer zunehmenden Abhängigkeit und einer Konzentrierung des Saatgut-Weltmarktes auf einige wenige transnationale Life-Science-Konzerne führen. Der Biolandbau erfüllt die Forderung der Nachhaltigkeit am besten. Die ökologischen Vorteile gegenüber dem konventionellen Landbau wurden mehrfach wissenschaftlich belegt (höhere Bodenfruchtbarkeit und Artenvielfalt, weniger Rückstände). Auf der Ebene von Einzelbetrieben zeigen inzwischen mehrere Studien, dass der Biolandbau unter den derzeitigen Rahmenbedingungen eine gute betriebswirtschaftliche Alternative darstellt. Dank starker Diversifizierung der meisten Biobetriebe werden zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Wie diese Studie aufzeigt, liegen trotz vergleichsweise sehr kleinen Mitteln in der Bioforschung für die meisten Schlüsselprobleme des Landbaus Lösungen oder Lösungsansätze vor. Die zahlreichen innovativen und interdisziplinären Forschungsansätze deuten zudem auf ein hohes Problemlösungspotential hin. Eine konsequente Forschungsförderung könnte Potentiale erschließen, die auch volkswirtschaftlich sehr lohnend sind: eine große Chance für die Landwirtschaft und für den Forschungsplatz Schweiz.
Databáze: OpenAIRE