Popis: |
Der Apfelanbau ist europaweit gesehen eine landschaftsdominierende Dauerkultur, deren Bewirtschaftsform einen bedeutenden Effekt auf die biologische Vielfalt in der Agrarlandschaft hat. Neben der Bestäubung der Kulturpflanze sind weitere Elemente der so genannten Funktionellen (Agro-)Biodiversität (FAB) elementar wichtig für die Schädlingsregulierung im Kernobstanbau. So sind wirbellose Nützlinge als natürliche Gegenspieler von Schädlingen unverzichtbare Bausteine für den Pflanzenschutz im ökologischen Kernobstbau. Viele Obstbauern versuchen trotz teilweise unzureichender Informationen und den wirtschaftlichen und technischen Herausforderungen die funktionelle Biodiversität in ihren Anlagen zu erhöhen. Das internationale Forschungsprojekt „EcoOrchard“, eine Kooperation von Forschungsinstitutionen aus Dänemark, Schweden, Lettland, Polen, Deutschland, Belgien, Frankreich, Schweiz und Italien, versucht durch eine im Dialog mit der Praxis gewonnene Zusammenstellung bekannter Methoden und der exemplarischen Prüfung bestimmter Maßnahmen zur einer Schließung der Informationslücken beizutragen bzw. die Erfolgschancen für die erfolgreiche Implementierung zu erhöhen. In einer länderübergreifenden Umfrage wurden Wissen und Erfahrung von Praktikern bezüglich der Umsetzung von FAB-Maßnahmen erfragt. Es wurden insgesamt 24 verschiedenen FAB-Techniken erfasst, die zu drei verschiedenen Strategien gehören: 1) dynamische Methoden, die von Jahr zu Jahr wechseln können (z.B. Mähfrequenz), 2) langfristig angelegte ökologische Infrastrukturen (z.B. Hecken, Blühstreifen, Nistkästen für Vögel, Insekten), 3) Re-Design der Kulturführung (Sortenwahl, Anbaudiversifizierung). Ökologische Infrastrukturen (z.B. Blühstreifen, Bienenhotels, Nistkästen für Vögel) wurden am häufigsten umgesetzt. Es wurden deutliche Unterschiede im Katalog ausgewählter Methoden sowie in deren Umsetzungsgrad zwischen den Ländern beobachtet. Im Durchschnitt kombinierten Landwirte seit 13 Jahren mehr als vier Techniken und erwarteten mehrere Ökosystemleistungen, die über die Schädlingsbekämpfung hinausgehen (wirtschaftliche, ökologische, agronomische Verbesserungen). Außerdem haben die Praktiker auf einen großen Informationsbedarf hinsichtlich FAB, Nützlingen oder auch geeigneten Blühpflanzen hingewiesen. Der Aufbau eines webbasierten Informationsportals (EBIO-Network = European Biodiversity Orchards Network) diente dazu, Erfahrungswissen aus der Praxis und Ergebnisse aus der Forschung zu verschiedenen Methoden der Biodiversitätsförderung im ökologischen Kernobstanbau zu bündeln und der Praxis bzw. Interessensgruppen zur Verfügung zu stellen. Die Website ist unter der Adresse https://ebionetwork.julius-kuehn.de erreichbar und wird fortlaufend auch nach Projektende aktualisiert. Auch konkrete Resultate des EcoOrchard-Projektes wurden öffentlichkeitswirksam aufgearbeitet und in diesem Wissensportal zur Verfügung gestellt, ebenso wie eine umfangreiche Literatursammlung zur Thematik der funktionellen Biodiversität im Obstbau. Eine Literaturstudie über Forschungsergebnisse zur Schaffung von Blütenressourcen für Nützlinge in Apfelplantagen ergab, dass meistens mit Gründüngung oder Blütenstreifen experimentiert wurde. Andere Methoden wie z.B. Mischkulturen oder Agroforstwirtschaft sind dagegen selten. Auch sind nur wenige Studien vorhanden, in denen Effekte dieser Maßnahmen auf Fruchtschäden oder Ertrag gemessen wurden. Ein weiterer Schwerpunkt des Projektes zielte auf die Ausarbeitung von leicht durchzuführenden, aber aussagekräftigen Methoden für den Praktiker, die es erlauben, die im eigenen Betrieb vorhandene funktionelle Biodiversität zu erfassen und zu bewerten. Es wurde ein Methodenkatalog erstellt, in Kooperation mit Obstbauern angewendet und nach entsprechendem Feedback aus der Praxis optimiert. Der Methodenkatalog sowie erläuternde Videos sind auf der EBIO-Network - Website erhältlich (auch in mehreren Sprachen verfügbar). Als spezifische Maßnahme erfolgte die Anlage mehrjähriger Blühstreifen aus Regio-Saatgut mit bis zu 30 verschiedenen Wildkräutern in konzertiert durchgeführten Feldversuchen in sieben beteiligten Ländern (Schweden, Dänemark, Polen, Deutschland, Belgien, Schweiz, Südtirol). Verschiedene Blühstreifenmischungen wurden eingesetzt, passende Mulch-/Schnittregime ausgetestet und potentielle Effekte auf Schädlings- bzw. Nützlingspopulationen und Fruchtschaden erhoben und bewertet. Es gelang Blühstreifen mit mehrjährigen, gebietseigenen Kräutern in den Fahrgassen in bestehenden Obstanlagen anzulegen und damit die floristische Diversität über Jahre hinweg anzureichern. Es zeigte sich aber auch, dass die Entfaltung der Blütenpflanzen eher ein zögerlicher Prozess ist. Im ersten Jahr war noch kein Blühaspekt zu erwarten, was bei fehlender Information über die Biologie der Wildkräuter enttäuschend und demotivierend für den Praktiker sein könnte. Die verwendete Saatgutmischung sollte nicht nur regional angepasst, sondern auch „maßgeschneidert“ für die angebaute Kultur sein, um die dort wichtigen Nützlinge anzusprechen, nicht aber die Hauptschädlinge. Wir zeigten im Laborversuch, dass z.B. der Apfelwickler im Gegensatz zu parasitoiden Hymenopteren offensichtlich wenig von Blühpflanzen profitiert. Die Gesamtanalyse aller EcoOrchard-Freilandversuche zeigte einen positiven Effekt der Blühstreifen auf das Vorkommen von Nützlingen und sowie auf eine Verringerung des Fruchtschadens. Dieses Ergebnis stützt sich vor allem auf signifikante Unterschiede in den Nützlingszahlen bei der visuellen Bonitur von Blattlausbefallenen Pflanzenorganen und den Fruchtschadenserhebungen nach dem Fruchtfall und kurz vor der Ernte. Bei dem Versuch in Deutschland ergaben sich keine Unterschiede bezüglich des Blattlausbefalls, wahrscheinlich da deren Populationsentwicklung durch die Insektizdapplikation unterbrochen wurde. Obwohl die Schädlingsregulierung und die Schadensverringerung möglicherweise nicht ausreichen, um diese Strategie als eigenständige Methode zur biologischen Kontrolle zu verwenden, können Blütenstreifen dazu beitragen, die Widerstandsfähigkeit des ApfelÖkosystems gegen Schädlinge aufzubauen. Erfahrungen aus den Freilandversuchen des EcoOrchard-Projektes und die daraus abgeleiteten Empfehlungen für die Anlage von Blühstreifen in Obstanlagen wurden in einem Ratgeber zusammengefasst, der in mehreren Sprachen über EBIO-Network verfügbar ist. Projektergebnisse und daraus resultierende Empfehlungen wurden zusammen mit der Praxis diskutiert, damit praxisnahe Lösungen erarbeitet werden können. Es ist uns gelungen, die Techniken für ein FAB-Monitoring an die Bedürfnisse der Praktiker anzupassen unter aktiver Beteiligung der Interessengruppen. Die Projektergebnisse und Ergebnisse wurden auf Konferenzen, Workshops, Feldbesuchen und Ausstellungen mit Akteuren präsentiert und diskutiert, um die Verbreitung zu erweitern. Ergebnisse und Materialien des EcoOrchard-Projekts wie mehrsprachige Versionen des Handbuchs für FAB-Bewertung und FAB-Management sind auf der EBIO-Network-Website, der Datenbank „organic eprints“ oder der Projekt-Homepage verfügbar. Ein Projekt-Merkblatt nach BÖLN-Vorgaben wurde erstellt. Mehrere wissenschaftliche Manuskripte sind in Bearbeitung. |