Das sprechende Ich in Hölderlins 'Der Einzige ' --Zu den Sprechpositionen des weder lyrischen noch hymnischen (Nicht-)Ichs

Autor: EKI, Toshiro
Jazyk: japonština
Rok vydání: 2021
Zdroj: 研究報告. 34:1-20
Popis: Wenn das Spätwerk Hölderlins als Hymnen oder Gesänge bezeichnet wird, herrscht ein stillschweigender Konsensus, dass der Dichter hier über den subjektiven Ausdruck der modernen Lyrik hinaus eine höhere überpersönliche Sprechposition erreichte. Dieses Verständnis ist ursprünglich ein Produkt der früheren Hölderlin-Rezeption Martin Heideggers und Stefan Georges mit seinem Kreis, die Hölderlin als Dichter-Seher (für das deutsche Volk) sahen. Es ist aber fraglich, ob das Spätwerk Hölderlins überhaupt so übersubjektiv ist. Der vorliegende Beitrag befasst sich mit diesem Problem anhand einer Interpretation von „Der Einzige " wo das sprechende Ich eine auffällige Rolle spielt. In diesem Werk erschließt sich nämlich durch das sprechende Ich, das sich anders als ein lyrisches (subjektives) Ich oder ein hymnisches (übersubjektives) Ich verhält, ein dynamisch reflexiver Raum. Fast zur gleichen Zeit, als Hölderlin sich mit „ Der Einzige" beschäftigte, schrieb er an Casimir Ulrich Böhlendorff einen Brief, in dem er das Eigene moderner Kunst als „ Nüchternheit" und das ihr Fremde als „ heiliges Pathos" bezeichnete. In unserem Kontext kann man hinsichtlich dieser zwei Tendenzen festhalten, dass Hölderlin eine Nüchternheit forderte, die sich auf die „ Klarheit der Darstellung " bezieht, um die ekstatische Tendenz seiner Ich-Aussagen einzuschränken. Die folgende Interpretation fokussiert insbesondere auf diese Nüchternheit der Ich-Aussage. In den ersten drei Strophen von „ Der Einzige" entwickelt sich das Motiv einer Reise in ein fremdes Land. In diesem griechischen und mythischen Raum, in dem Götter vor den Augen der Menschen existieren, wandert das sprechende Ich. Dieses Motiv, das einst dem Ausdruck der Begeisterung diente, wird hier hingegen als ein nüchternes Erlebnis des Ich dargestellt. Im mittleren Teil geht dann das Erzählen des Erlebnisses mit seiner Auslegung einher, denn die Suche nach dem Einen Christus wird in die griechische Welt integriert. Dabei wird das Bewusstsein für , Schuld ' ‚ Kühnheit ' und ‚Scham' betont und die Schulderkenntnis gibt den synkretistischen Gedanken eine komplizierte und zugleich nüchterne Nuance. Das interpretierende Ich geht in ein selbstkritisches Ich über, wobei Hölderlin Motive der Gelegenheitslyrik von Pindar übernimmt. Das sprechende Ich in „Der Einzige" bezieht also verschiedene Positionen der Erlebnis-, Gedanken- und Gelegenheitslyrik und produziert so einen vielfältig reflektierenden Raum. Der in den Schlussversen erhobene Anspruch, die Dichter müssten „weltlich" sein, verschafft dem Gedicht noch eine weitere reflexive Struktur, denn im Werk selbst ist er performativ ausgeführt. Die Rede des lyrischen Ichs oder des hymnischen (Nicht-)Ichs bei Hölderlin tritt oft in einer einfältig mystischen Aura auf, weil sie ihren Bezug zum vielfältigen Verhalten des Ich nicht stark artikuliert. Das vielschichtig sprechende Ich in „Der Einzige" dagegen erschließt gleichsam multi-subjektive Räume der Dichtung und stellt deshalb das bisherige Schema der Subjektivität des frühen Hölderlin gegenüber der höheren Transsubjektivität des späten in Frage, die Vorstellung eines Übergangs vom Lyrischen zum Hymnischen, vom Privaten zum Öffentlichen, vom Persönlichen zum Allgemeinen. Darum muss das Bild Hölderlins jeweils anhand der konkreten Artikulation des Verhältnisses zwischen dem Autor Hölderlin und den verschiedenen Ichs seiner Gedichte kritisch entworfen werden.
Databáze: OpenAIRE