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Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des Zentralen Nervensystems mit schubförmigem oder chronisch progredientem Verlauf. In der Behandlung des MS-Schubes gilt die hochdosierte Gabe von Glukokortikosteroiden (GKS) als Goldstandard. Im Falle steroidrefraktärer Schübe sind Aphereseverfahren als Eskalationstherapie indiziert, wobei mit der Plasmapherese (PE) und der Immunadsorption (IA) zwei unterschiedliche Verfahren zur Verfügung stehen, welche beide auf dem Prinzip der Eliminierung immunologisch wirksamer Substanzen beruhen. Die PE ist ein bewährtes, aber nicht spezifisches Verfahren zur Entfernung pathogener Blutbestandteile. Hierbei wird das Blutplasma mit allen darin enthaltenen Proteinen verworfen und nachfolgend durch eine Humanalbuminlösung oder Frischplasma ersetzt. Während der IA werden selektiv Antikörper und Immunkomplexe durch einen Adsorber gebunden. Das modifizierte Plasma wird anschließend reinfundiert ohne Notwendigkeit einer Volumensubstitution. In der Literatur wird die Wirksamkeit beider Verfahren durch kleinere, zumeist retrospektive Fallserien belegt, jedoch existierte bisher keine randomisierte, kontrollierte Studie zum Vergleich von IA und PE in der MS-Schubtherapie. Ziel unserer Studie war es, die Wirksamkeit und Verträglichkeit beider Verfahren bei Patienten mit persistierender Schubsymptomatik nach erfolgter GKS-Hochdosistherapie zu untersuchen. Hierfür wurden insgesamt 61 Patienten (31 IA-Patienten; 30 PE-Patienten) in einem prospektiven, monozentrischen, 1:1-randomisierten Studiendesign vor Therapiebeginn (V0), direkt nach Ende der Apherese (V1) sowie erneut nach 2 Wochen (V2) und nach 4 Wochen (V3) untersucht. Eine Telefonvisite erfolgte nach 12 Wochen (V4). Als primärer Outcome-Parameter zur Bewertung der Wirksamkeit diente der Multiple Sclerosis Functional Composite (MSFC). Als sekundäre Endpunkte wurden die Expanded Disability Status Scale (EDSS), die Lebensqualität (visuelle Analogskala), der Visus, neuropsychologische Tests (Symbol Digit Modalities Test (SDMT), verbaler Lern- und Merkfähigkeitstest (VLMT)), die retinale Beschaffenheit mittels optischer Kohärenztomographie (OCT), die Therapiesicherheit (Laborparameter, Nebenwirkungen) und die Absenkungs-raten der Immunglobuline (Ig) im Serum erfasst. Es zeigte sich in beiden Therapiearmen eine signifikante Verbesserung des MSFC nach 4 Wochen (V3) im Vergleich zur Baseline, wobei die Verbesserung in der IA-Gruppe signifikant größer war (p=0.030). Im Gegensatz zur PE-Gruppe war direkt nach Ende der Therapie (V1) noch kein signifikanter Effekt nachweisbar, dieser setzte erst mit zeitlicher Verzögerung ein. Ähnliche Beobachtungen einer verzögerten, aber größeren und nachhaltigeren Wirkung der IA ergaben sich auch bei der Mehrzahl der sekundären Effektivitätsparameter. Die Anzahl klinisch relevanter Komplikationen war mit einer Thrombose pro Behandlungsarm gering. In der PE-Gruppe kam es häufiger zu Infekten, in der IA-Gruppe zu Heparin-induzierten Nebenwirkungen (Allergien und Thrombozytopenien). Die PE senkte die IgM- und IgA-Spiegel signifikant stärker, die IA hingegen bewirkte eine signifikant stärkere Absenkung des IgG-Spiegels. Die wichtigste Erkenntnis dieser Studie ist, dass die IA gegenüber der PE im Langzeiteffekt eine Überlegenheit im Sinne einer stärkeren Verbesserung der Schubsymptome zeigt, wenngleich das Ansprechen gegenüber der PE verzögert auftritt. Sowohl die IA als auch die PE stellten sich als effektive Verfahren in der Behandlung des steroidrefraktären MS-Schubes heraus. Ferner sind beide getesteten Aphereseverfahren als sicher und nebenwirkungsarm einzustufen. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die IA der PE aufgrund der besseren Eliminationseigenschaften des pathogenetisch bedeutsamen IgG in der MS-Schubtherapie überlegen ist. Zusammenfassend sprechen die Ergebnisse dieser Studie für die IA als bevorzugtes Aphereseverfahren in der Therapie des steroidrefraktären MS-Schubes. |