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Die Vorstellung von Wohnstätten und Heimen als "sichere Orte" für Menschen mit einer geistigen Behinderung ist erschüttert, schreibt THEUNISSEN (1996, 275). Auf subtile Formen institutioneller Gewalt oder auch auf einen aggressiven Umgang mit BewohnerInnen in erzieherischen und pflegerischen Maßnahmen ist immer wieder aufmerksam gemacht worden (ebd.; EGLI, 1993; BOCK, 1994; ZUR ORIENTIERUNG, 1994; IRBLICH, 1999), wenngleich keine einzige systematische Untersuchung vorliegt, die Art und Ausmaß aggressiver Konflikte in Wohneinrichtungen belegen würde. Die hier vorliegende Untersuchung versucht auf der Basis einer quantitativen und qualitativen Befragung in Wohnstätten Kulminationspunkte menschlicher Konflikte zu explorieren. 117 Gespräche mit erwachsenen Menschen mit geistiger Behinderung und ihren Bezugspersonen liefern das Untersuchungsmaterial für diese Studie. Das Besondere der verwendeten Interviewtechnik besteht darin, daß soziale Realität im Heim aus den diametral entgegengesetzten Perspektiven der HeimbewohnerInnen und des Betreuungspersonals rekonstruiert wird. Die inhaltlichen Akzente der Befragung werden auf fünf Themenfelder gesetzt: (1) die lebensgeschichtlichen Erfahrungen der HeimbewohnerInnen, insbesondere ihre früheren Erlebnisse mit struktureller Gewalt in Psychiatrien und Anstalten; (2) ihre sozialen Bindungen innerhalb und außerhalb der Einrichtung; (3) die Qualität der Wohnsituation; (4) die Erfassung der aggressiven Konflikte der BewohnerInnen untereinander, aber auch gegenüber dem Betreuungspersonal und (5) die Einstellungen beider Gruppen zu Konflikten und Gewalt in erzieherischen Maßnahmen. Inhaltlich und methodisch handelt es sich bei der Untersuchung der Einstellungen zu Konflikten um ein forschungstechnisches Novum: Noch nie wurde in der Vergangenheit das moralische Urteil von Menschen mit einer geistigen Behinderung erfaßt; bisher wurden instrumentell keine Rating-Skalen bei dieser Personengruppe eingesetzt, und das Gewaltverständnis von Menschen mit geistiger Behinderung war bis heute ebenfalls noch kein Untersuchungsgegenstand. |