Altersbedingte Veränderungen des Colliculus inferior unter besonderer Berücksichtigung des Neurotransmitters GABA bei der mongolischen Wüstenrennmaus (Meriones unguiculatus)
Autor: | Netz, Judith |
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Jazyk: | němčina |
Rok vydání: | 2012 |
Předmět: | |
Popis: | Altersschwerhörigkeit stellt ein Problem dar, das aufgrund des demographischen Wandels immer mehr Patienten über einen immer längeren Lebensabschnitt betrifft und dessen soziale und medizinische Relevanz daher mehr und mehr an Bedeutung gewinnt. Ursächlich können der Presbyakusis pathologische Veränderungen im peripheren Abschnitt (äußeres Ohr, Mittelohr und Innenohr) oder aber der zentralen Hörbahn zu Grunde liegen. Während die Therapie des peripheren Hörverlusts mittlerweile gut etabliert ist, sind Maßnahmen, die auf die Ursachen des zentralen Hörverlusts abzielen, dagegen noch kaum entwickelt. Für die Patientengruppe, die unter einer rein zentralen Hörstörung leidet und für diejenigen, die trotz scheinbar gut angepasstem Hörgerät nur eine unzureichende Besserung ihres Hörproblems erfahren, gilt es neue therapeutische Strategien zu entwickeln. Genauere Kenntnisse über die im Alter ablaufenden Veränderungen der zentralen Verarbeitung akustischer Signale und die dabei entscheidenden strukturellen und funktionellen Pathomechanismen müssen dafür gewonnen werden. Daten, die in den zurückliegenden zwei Dekaden erhoben wurden, weisen darauf hin, dass es im Alter zu einer Abnahme der GABAergern Funktion in der zentralen Hörbahn kommt, in der der Colliculus inferior die größte auditorische Struktur darstellt und eine bedeutende Rolle spielt. Eine wichtige Frage ist, inwieweit die Veränderungen in der zentralen Hörbahn unabhängig von oder in Kombination mit bzw. als Folge einer peripheren Hörstörung auftreten. Bisherige Untersuchungen wurden überwiegend an Ratten durchgeführt, die im Alter deutliche periphere Hörverluste aufweisen. In der vorliegenden Studie wurden als Versuchstiere Mongolische Wüstenrennmäuse verwendet, die sensitiv im Frequenzbereich der menschlichen Sprache sind und auch im fortgeschrittenen Alter nur einen relativ geringen peripheren Hörverlust aufweisen. Das Ziel der vorliegenden Studie ist die Analyse des Colliculus inferior (IC) der Wüstenrennmaus, um dabei rein „zentral“ bedingte altersbedingte Veränderungen aufzuzeigen. Dafür wurden jeweils ein frontaler Gehirnschnitt durch den rechten oder linken IC von 7 jungen (unter einem Jahr) und 18 alten Tiere (3-5 Jahre) mit unauffälligen Mittelohrstatus und von 9 Tieren mit einem beeinträchtigten peripheren Hörvermögen in einer blind angelegten Studie immunhistologisch untersucht. Neben der Querschnittsfläche des IC wurde die Anzahl GABAerger Neurone und deren lokale Dichte im gesamten IC-Querschnitt sowie die Querschnittsfläche und der Grauwert (Färbeintensität) der Neurone in einem 500µm breiten Bereich des lateralen IC bestimmt. Die Querschnittsfläche des IC nahm bei alten Wüstenrennmäusen signifikant ab. Dies deutet auf eine mit dem Alter einhergehende Schrumpfung des Colliculus inferior bei Wüstenrennmäusen hin und erscheint kongruent zu Daten, die an einzelnen anderen Kernen der zentralen Hörbahn erhoben wurden. Hierbei scheint es sich nicht um eine globale Schrumpfung des Gehirns zu handeln, sondern um sehr spezifische Veränderungen in den einzelnen auditorischen Kernen, die mit einer Abnahme der Innervationsdichte und/oder einem Verlust von Neuronen einher gehen. Die Verteilung GABAerger Neurone innerhalb des gesamten IC-Querschnitts zeigte ein bei jungen und alten Tieren ähnliches charakteristisches Muster mit der höchsten Dichte im Bereich des zentralen Kerns, was in Übereinstimmung mit bisherigen Studien steht. Entlang der tonotop gegliederten dorsoventralen Achse des IC konnte gezeigt werden, dass ventral gelegene hochfrequente Neurone im Vergleich zu dorsal gelegenen tief-frequenten Neuronen im Mittel eine etwas größere Querschnittsfläche und eine geringere Expression von GABA aufweisen. Diese Ergebnisse legen nahe, dass der physiologische Prozess der Verarbeitung von Hörreizen im IC bei hohen und tiefen Frequenzen unterschiedlich verläuft. Die Daten gaben dagegen keine deutlichen Hinweise auf frequenzspezifische altersbedingte Unterschiede. Die in hohen und tiefen Lagen häufig unterschiedliche Beeinträchtigung des Hörens im Alter konnte somit nicht erklärt werden. Auch eine altersbedingte Abnahme von Indikatoren für die Funktion des GABAergen Systems (Anzahl, Größe und Färbeintensität GABAerger Neurone) im IC wurde im Gegensatz zu bisher bei Ratten beschriebenen Effekten nicht bestätigt. Eine Erklärung hierfür könnte der erhebliche periphere Hörverlust alternder Ratten sein, der durch den reduzierten Eingang akustischer Informationen in die Hörbahn möglicherweise für die in bisheriger Literatur beschriebene altersbedingte Reduktion der GABA-Expression im IC verantwortlich ist. Die Untersuchung der 9 Wüstenrennmäuse mit ipsi-, contra- oder bilateral beeinträchtigten peripheren Hörvermögen stützen diese Annahme, da der hier reduzierte akustische Input in den IC auch bei der Wüstenrennmaus zu einer Reduktion der Expression von GABA führte. Zukünftige Studien mit größeren Stichproben hörgeschädigter Wüstenrennmäuse könnten weitere Hinweise dafür liefern, dass sich diese für die Untersuchung der rein zentral bedingten Altersschwerhörigkeit möglicherweise besser eignen als Ratten. Insgesamt konnte durch die vorliegende Studie gezeigt werden, dass der IC von Wüstenrennmäusen bis auf die Größenabnahme des Gesamtquerschnitts im Gegensatz zu Daten von Ratten weitgehend resistent gegenüber altersbedingten Veränderungen ist. Mögliche Einflüsse peripherer ipsi-und contralateraler Hörstörungen auf GABAerge Neurone im IC wurden aufgezeigt und geben den Anreiz für weitere diesbezügliche Untersuchungen in der Zukunft. Die unterschiedliche Eignung von Wüstenrennmäusen und Ratten für die Erforschung von Pathomechanismen der Altersschwerhörigkeit konnte herausgearbeitet werden. Presbyacusis poses a problem that affects an increasing number of patients for an ever-longer phase of life due to demographic change. Its social and medical relevance is therefore getting more and more important. Presbyacusis may be caused by pathological changes in the peripheral (outer ear, middle ear, inner ear) or the central auditory system. While the therapy of peripheral hearing loss by hearing aids has meanwhile been well established, this is not yet the case for measures targeted on treating the causes of central hearing loss. For the patient group suffering from a predominant central hearing impairment and for those who only experience an insufficient improvement of their hearing problems in spite of an apparently well adapted hearing aid, new therapeutic strategies remain to be developed. To this end it is essential to acquire more precise knowledge of age-related changes regarding the central processing of acoustic signals and the related structural and functional pathomechanisms. Data collected in the past two decades indicate a reduction of GABAergic function in the central auditory pathway in old age, especially for the colliculus inferior that plays a crucial role in the auditory pathway. An important question is to which extent the changes in the central auditory pathway occur independently or in combination with or as a consequence of peripheral hearing impairment. Previous studies were mainly conducted in rats which show considerable peripheral hearing loss in old age. In the present study Mongolian gerbils were used as an animal model. Mongolian gerbils are sensitive in the frequency range of human speech and only show relatively low peripheral hearing loss even in old age. The aim of the present study is to analyze the Mongolian gerbils’ colliculus inferior (IC) in order to characterize age-related changes that occur in the absence of pronounced peripheral hearing loss. For this purpose, frontal brain slices of the right or left IC of 7 young (under 1 year) and 18 old animals (3 to 5 years) without pathological middle ear status as well as 9 animals with middle ear infection were analyzed by light microscopy in a blinded study. In the sections, where the expression of GABA was immunohistochemically demonstrated, the IC’s cross-sectional area, the number of GABAergic neurons, their local density, the neurons’ cross-section area and the grey value (staining intensity, a surrogate measure of GABA expression) were determined. The IC’s cross-sectional area decreased significantly in old gerbils. This indicates an age-related shrinkage of the colliculus inferior in gerbils. The difference in the degree of shrinkage between the IC and other auditory nuclei in the ascending auditory pathway is not consistent with a global shrinkage of the brain but demonstrates very specific changes in the individual auditory nuclei. In addition auditory nuclei differ with respect to age dependent decrease of innervation density and loss of neurons. The distribution of GABAergic neurons throughout the entire cross-section of the IC showed a similar characteristic pattern in both young and old animals with the highest density obtained in the ventro-lateral region of the central nucleus. Along the tonotopic dorso-ventral axis of the IC ventrally located high-frequency neurons showed on average a slightly larger cross-section area and a reduced GABA expression compared to dorsally located low-frequency neurons. These findings suggest that the physiological processing of auditory stimuli in the IC varies between high and low frequencies. The data did not indicate obvious frequency-specific age-related differences and provide no support for predominant high frequency hearing loss in gerbils that has been reported for other models. In contrast to the observations previously reported for the rat, a significant age-related decline of indicators of the function of the GABAergic system (number, size, and staining intensity of GABAergic neurons) in the IC was not confirmed in gerbils. One hypothesis is that the pronounced peripheral hearing loss of ageing rats contributes (due to the reduced input of acoustic signals) to the age-related decline of GABA expression in the IC as reported in previous studies. This assumption is supported by the results obtained in 9 gerbils with ipsi-, contra, or bilaterally impaired peripheral hearing due to middle ear infections, because in these gerbils the reduced acoustic input lead to a decline of GABA expression in the contra-lateral IC. These preliminary data suggest influences of peripheral hearing impairments on GABAergic neurons in the IC, that need to be confirmed by additional studies. Overall, the present study has shown that the IC of gerbils, in contrast to that of rats, is largely resistant to age-related changes, except for the decrease in size of the entire cross-section. The present data demonstrate differences between rats and gerbils with respect to age dependent changes in the IC that need to be considered for the interpretation of pathomechanisms related to presbyacusis. |
Databáze: | OpenAIRE |
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