Schulderleben bei Zwangspatienten

Autor: Edgar Geissner, Manfred Schmitt, Tobias Rothmund, Anna Baumert, Lina Marie Knechtl
Rok vydání: 2019
Předmět:
Zdroj: Verhaltenstherapie
ISSN: 1423-0402
1016-6262
DOI: 10.1159/000501375
Popis: Hintergrund: Zwangspatient(inn)en leiden, wie klinische Beobachtungen zeigen, häufig unter starker Schuld, was sich auch mit frühen psychoanalytischen Annahmen (übermäßig hohes Über-Ich) deckt, bis heute aber nicht spezifisch empirisch untersucht wurde. Auch aktuelle kognitionspsychologische Ansätze fokussieren auf diese emotionale Seite des Zwangsgeschehens nur indirekt. Unser Anliegen be­stand daher in der Untersuchung, inwieweit Zwangspatient(inn)en ausgeprägteres Schulderleben aufweisen als Personen ohne Zwang. Patient(inn)en und Methode: 100 Proband(inn)en (34 männlich, 66 weiblich) nahmen an der Studie teil, davon 50 mit einer gesicherten, IDCL-bestätigten Diagnose Zwangsstörung während eines stationären Auf­enthalts, und 50 gematchte Proband(inn)en aus der Normalbevölkerung ohne Zwang. Alle Teilnehmenden erhielten eine Untersuchung mit dem Strukturierten klinischen Interview für DSM-IV (SKID); auch wurde die Depression (Beck Depression Inventory; BDI) erhoben. Mit den Patient(inn)en wurde sodann die Yale-Brown Obsessive Compulsive Scale (Y-BOCS) durchgeführt. Zu Schuld bearbeiteten alle Teilneh­menden 2 nichtklinische Instrumente: (a) Schuldinventar, Traitvariante, und (b) Test of Self-Conscious Affect (TOSCA). Darüber hinaus wurde für diese Studie der Schuldinduzie­rende Szenarien Test (SIT), basierend auf vorangegangenen Interviews mit Patient(inn)en und Expert(inn)en, entwickelt (2 Skalen) und von allen Proband(inn)en bearbeitet. Er­gebnisse: Die Annahme höheren Schulderlebens von Zwangspatient(inn)en wird durch die Daten gestützt. Sehr deutliche Unterschiede zwischen ihnen und den Kon­trollproband(inn)en fanden sich für Schuld (Trait) und die Skalen SIT 1 und SIT 2; der Schuldwert im TOSCA war dagegen unspezifisch. Als Nebenbefund sind hohe Depressions­werte bei den Zwangspatient(inn)en zu verzeichnen. Diskussion: Durch die Befunde wird nahegelegt, dass in der Behandlung von Patient(inn)en mit einer Zwangserkrankung stärker als bisher das Schulderleben thematisiert werden sollte. Die Patient(inn)en leiden neben ihren Zwangshandlungen und -gedanken stark darunter. Leitliniengerechte Behandlung via Expositionen sollte insofern ergänzt werden um spezifische Behandlungsabschnitte zu Schuld und ­Schuldverarbeitung.
Databáze: OpenAIRE