Validierungsstudien zur Diagnostik der Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHS) im Erwachsenenalter

Autor: Faschina, Silvia
Přispěvatelé: Stieglitz, Rolf Dieter, Lieb, Roselind
Rok vydání: 2021
DOI: 10.5451/unibas-ep83100
Popis: Die Aufmerksamkeitsdefizit /Hyperaktivitätsstörung (ADHS) stellt eine der häufigsten psychiatrischen Erkrankung des Kindes- und Jugendalters dar, welche bei ca. 50 % der Betroffenen bis ins Erwachsenenalter persistieren kann. Sie ist charakterisiert durch die Symptome der Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität und ist auch von einer hohen Komorbidität begleitet. Zudem leiden 30 – 50 % der Betroffenen unter Symptomen der emotionalen Dysregulation. Die adulte ADHS geht mit vielfältigen funktionellen Beeinträchtigungen einher und wird auch für das riskante Verhalten von ADHS-Betroffenen im Strassenverkehr verantwortlich gemacht. Daher kommt ihrer Diagnostik und Behandlung eine wichtige Bedeutung zu. Aktuelle Klassifikationssysteme können die Heterogenität der adulten ADHS nur unzureichend abbilden. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit drei Validierungsstudien zur ADHS des Erwachsenenalters mit dem Ziel der Überprüfung und Weiterentwicklung bestehender Konstrukte sowie Untersuchungsmethoden zur Identifikation ADHS-spezifischer Besonderheiten. Dabei werden folgende Themenschwerpunkte behandelt: (1) Möglichkeiten der Klassifizierung der adulten ADHS durch einen kategorialen vs. dimensionalen Ansatz (2) Identifikation von Kompetenzen der Emotionsregulation bei erwachsenen ADHS-Betroffenen im Vergleich zu Personen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) (3) Validierung eines statischen Smart-Echtfahrzeug-Fahrsimulators zu diagnostischen Zwecken der Fahreignungsbeurteilung mit dem weiterführenden Ziel der Identifikation ADHS-spezifischer Auffälligkeiten im Fahrverhalten. Die Stichproben der drei Studien umfassten Personen der deutschsprachigen Schweizer Allgemeinbevölkerung sowie Probanden der ADHS-Spezialsprechstunde der Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) in Basel und Probanden einer Studien-Datenbank der UPK. Die Daten wurden im Zeitraum von 2009 bis 2017 erhoben. Bei den Dependenz- und Interdependenzanalysen kamen verschiedene statistische Verfahren zur Anwendung: u. a. Varianzanalysen, Regressionsanalysen sowie Cluster- und Faktorenanalysen. (1) Die Ergebnisse der ersten Studie konnten aufgrund der durchgeführten Analysen keine eindeutige kategoriale Struktur der ADHS auf Basis der ADHS-Selbstbeurteilungsskala identifizieren. Die in den diagnostischen Kriterien beschriebene ADHS-Symptomatik konnte für die Gesamtstichprobe auf einem Kontinuum zwischen normal bis extrem abgebildet werden mit individuellen Unterschieden in der Expressivität des Verhaltens. (2) Bei der Frage, ob ADHS-Patienten sich hinsichtlich der Symptome der emotionalen Dysregulation von BPS-Patienten unterscheiden, ergaben unsere Untersuchungen anhand des Emotion Regulation Questionnaire, dass beide Patientengruppen ähnliche Defizite in den Emotionsregulationskompetenzen aufzeigen. Beiden gemeinsam ist, dass sie Schwierigkeiten damit haben, negativen Emotionen zu begegnen, ohne impulsiv zu werden. (3) Mittels einer standardisierten psychologischen Fahrverhaltensbeobachtung konnten wir aufzeigen, dass die im Fahrsimulator beobachteten Fahrfehler mit den Fahrfehlern im Strassenverkehr korrespondieren. Die Korrespondenz der Daten konnte jedoch nicht für alle untersuchten Parameter nachgewiesen werden. Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass sich die Untersuchungsmethoden im Hinblick auf die erforderlichen kognitiven Kapazitäten unterscheiden. Die erzielten Resultate dieser Arbeit haben einen Nutzen, der für die Forschung und für die Praxis bedeutsam ist. Die Annahme einer dimensionalen Struktur der ADHS könnte im diagnostischen Prozess den Fokus auf die individuellen Ausprägungen der Psychopathologie lenken und damit über die Betrachtung auf das Erreichen notwendiger Kriterien hinaus, mit dem Vorteil einer auf die individuellen Symptome und deren Schweregrad abzielenden ADHS-Behandlung. Der Nachweis über das Vorliegen emotionaler Symptome bei ADHS-Patienten zeigt nicht nur die Notwendigkeit zur Erweiterung aktueller Klassifikationskriterien um diesen Symptomkomplex auf, sondern auch dessen begrenzten Nutzen bei differentialdiagnostischen Überlegungen. Zudem sollte emotionalen Symptomen ein besonderer Stellenwert in der Psychotherapie eingeräumt werden. Der Nachweis der Validität für das beobachtete fehlerhafte Fahrverhalten bestätigt die Eignung des Fahrsimulators zur Vorhersage von Fahrfehlern bei Risikopopulationen, so auch bei ADHS-Patienten. Für die Etablierung von Fahrsimulatoren zu diagnostischen Zwecken der Fahreignung sollte der Einfluss kognitiver Ressourcen auf die Validität weiter erforscht werden, da diese sich aufgrund unterschiedlicher Anforderungen zwischen simulierter und realer Umgebung mindernd auf den Validitätsnachweis auswirken können.
Databáze: OpenAIRE