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Am 26. April 2016 jährt sich die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl zum 30. Mal. Der Reaktorunfall in der Ukraine war der bisher schlimmste seiner Art in der Geschichte der Kernenergie. Er verseuchte auf lange Frist die Umwelt in der Umgebung des Kraftwerks und verursachte insbesondere bei stark betroffenen Kindern teils schwerwiegende gesundheitliche Schäden. Enorm sind auch die finanziellen Langzeitfolgen: Seit der Katastrophe wendet die Ukraine jährlich 5–7% ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf, um das zerstörte Kraftwerk und die Umgebung zu sichern und zu dekontaminieren sowie um Betroffene zu entschädigen. Eine aktuelle Forschungsarbeit zeigt nun auf, dass die tatsächlichen Folgekosten der Katastrophe weit darüber hinausgehen: Das Reaktorunglück von Tschernobyl verursachte über nunmehr drei Jahrzehnte hinweg für weite Teile der ukrainischen Bevölkerung eine verringerte Lebenszufriedenheit und eine schlechtere mentale Gesundheit. Erstaunlicherweise trifft dies auch auf die breite Masse der Bevölkerung zu, die lediglich von niedrigen Strahlenwerten betroffen waren, die in der Medizin als gesundheitlich unbedenklich gelten. Ursächlich für die negativen psychischen Langzeitfolgen sind daher höchstwahrscheinlich nicht die erhöhten Strahlenwerte, sondern die Verunsicherung und Ängste über zukünftige Erkrankungen, die sich auch in pessimistischeren Einschätzungen der Lebenserwartung widerspiegeln. Werden diese psychischen Effekte in finanzielle Gegenwerte umgerechnet, beläuft sich der aggregierte jährliche Wohlfahrtsverlust der faktisch nicht direkt betroffenen ukrainischen Bevölkerung auf 2–6% des BIP. Hinzu kommt, dass sich ein Teil der betroffenen Erwerbsbevölkerung stärker auf staatliche Unterstützung verlässt und finanzielle Geldleistungen in Höhe von 0,5–0,6% des Bruttoinlandsprodukts bezieht. Diese Ergebnisse weisen auf hohe zusätzliche externe Kosten der Katastrophe hin, die in bisherigen Betrachtungen unberücksichtigt blieben. |