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In der vorliegenden Arbeit wurden elektronische Relaxationsprozesse Valenz-ionisierter Moleküle und Cluster mittels quantenchemischer ab-initio Verfahren untersucht. Als zentrales Resultat dieser Studien konnte ein neuartiger elektronischer Relaxationsprozess für die Inner-Valenz-ionisierten Zustände schwach gebundener Cluster aufgezeigt und analysiert werden. Während die Valenz-ionisierten Zustände isolierter atomarer und kleiner molekularer Systeme (Monomere) aus energetischen Gründen nur im Rahmen relativ langsamer Photonemissions- bzw. Kerndynamik-Prozesse relaxieren können, eröffnet die "Einbettung" dieser Monomere in einen schwach gebundenen Cluster einen äußerst effizienten elektronischen Zerfallsprozess der Inner-Valenz-ionisierten Zustände. Das Ergebnis der Analyse des Zerfallsmechanismus läßt sich in einem vereinfachten schematischen Bild darstellen: Ein Inner-Valenz-ionisierter Ausgangszustand mit lokalisierter Lochladung an einem der schwach gebundenen Clustermonomere zerfällt, indem ein Elektron aus der äußeren Valenz des selben Monomers das ursprüngliche Inner-Valenz-Loch "auffüllt". Die dabei freigesetzte Überschussenergie wird im Rahmen eines effizienten interatomaren bzw. intermolekularen Kopplungsmechanismus zu einem Nachbarmonomer transferiert. Dort führt die Überschussenergie zur Emission eines Elektrons aus der äußeren Valenz. Der resultierende doppelionisierte Zerfallskanal besitzt jeweils eine lokalisierte Lochladung an den beiden benachbarten Monomereinheiten. Die reduzierte Coulomb-Abstoßung der räumlich verteilten Lochladungen führt zu einer drastischen energetischen Absenkung der Doppelionisierungsschwelle gegenüber der Lage in den isolierten Monomereinheiten, und somit zur Öffnung der Zerfallskanäle für die Inner--Valenz--ionisierten Clusterzustände. Der interatomare bzw. intermolekulare Mechanismus des elektronischen Zerfalls der Inner--Valenz--ionisierten Clusterzustände steht in deutlichem Gegensatz zur ausgeprägt intraatomaren Natur des elektronischen Zerfalls elektronisch hochangeregter, Core-ionisierter Zustände (Auger-Zerfall). Auf Grund der dominierenden Coulomb-Wechselwirkung zwischen den Elektronen der am Zerfallsprozess beteiligten Nachbarmonomere wurde der elektronische Zerfall Inner-Valenz-ionisierter Clusterzustände als Interatomic bzw. Intermolecular Coulombic Decay (ICD) bezeichnet. Die große Effizienz des ICD-Prozesses spiegelt sich in den berechneten kurzen Lebensdauern der zerfallenden Inner-Valenz-ionisierten Ausgangszustände im Größenbereich von ca. 1-100 Femtosekunden wieder. Die enorme Bedeutung des ICD-Prozesses für schwach gebundene Systeme zeigt sich im Rahmen der exemplarischen Analyse H-verbrückter Molekülcluster (z.B. H2O- und HF-Cluster) und van-der-Waals-Cluster (Neon-Cluster). Im Detail untersucht wurde unter anderem die Größen- und Abstandsabhängigkeit des elektronischen Zerfallsprozesses. Am Beispiel der heterogenen NeAr- und NeCO-Systeme konnte eine für kurze Monomerabstände relevante Elektrontransfer-vermittelte Variante des ICD-Prozesses aufgezeigt und analysiert werden. Für doppelionisierte Clusterzustände mit mindestens einem Inner-Valenz-Loch wurde das Auftreten eines ICD-analogen elektronischen Zerfallsprozesses vorhergesagt. Die mit der Betrachtung schwach gebundener Cluster begonnenen ab-initio Studien der elektronischen Relaxationsprozesse Valenz-ionisierter Zustände wurden auf molekulare Systeme ausgeweitet. Für Inner-Valenz-ionisierte Zustände "ausgedehnter" molekularer Systeme, sowie kleiner molekularer Anionen konnte eine intramolekulare Variante des ICD-Prozesses aufgezeigt werden. Darüber hinaus wurde die Möglichkeit eines ultraschnellen rein elektronischen Loch-Ladungstransferprozesses für nicht-stationäre Valenz-ionisierte Ausgangszustände molekularer Systeme nachgewiesen. Der im Rahmen der vorliegenden Arbeit erstmals postulierte ICD-Prozess konnte mittlerweile im Rahmen von Photoionisierungsstudien an Neon- und gemischten Neon/Argon-Clustern experimentell nachgewiesen werden. Die Ergebnisse dieser experimentellen Untersuchungen bestätigen die theoretischen Vorhersagen der hier vorgelegten ab-initio Studien. |