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Primäre Kopfschmerzen stellen schon im Kindes- und Jugendalter ein erhebliches gesundheitliches Problem dar, mehr als die Hälfte der kindlichen Kopfschmerzen chronifizieren ins Erwachsenenalter hinein. Ergebnisse aus Studien mit evozierten Potentialen legen nahe, dass Migräne eine Störung der zerebralen Informationsverarbeitung insbesondere der Habituation zu Grunde liegt, wobei diese Resultate meist aus Untersuchungen mit erwachsenen Versuchsteilnehmern stammen. Es gibt jedoch auch Hinweise darauf, dass diese Informationsverarbeitungsstörung Resultat einer funktionellen Reifungsstörung ist. In vorliegender Studie wurde der Frage nachgegangen, inwieweit sich die postuliete Störung der zerebralen Informationsverarbeitung auch bei Kindern und Jugendlichen mit Migräne im EKP P300 findet und ob ein Zusammenhang mit dem Alter besteht. Da bislang auch für gesunde Kinder und Jugendliche keine breite Datenbasis zur Verfügung steht, wurden in einer vorgeschalteten Analyse Referenzmodelle anhand der Daten der gesunden Kinder und Jugendlichen berechnet. 82 Kinder und Jugendliche mit Migräne, diagnostiziert nach den Kriterien der Internationalen Headache Society (IHS) im Alter von 6 bis 18 Jahren, sowie 78 nach Alter und Geschlecht abgeglichene Kontrollprobanden nahmen an der Studie teil. Zur Stimulation wurde ein kindgerechtes visuelles oddball-Paradigma herangezogen. Die Datenanalysen fanden zum einem für den ersten Lauf statt, was der �klassischen� Auswertung entspricht und zum anderen in Bezug auf die Habituation. Für die Kontrollprobanden ergaben sich im ersten Lauf folgende Ergebnisse: Den jüngeren Kindern unterliefen mehr Fehler als den älteren. Der Zusammenhang von Alter und Reaktionszeit läßt sich am besten curvlinear, mit einer steileren Abnahme der Reaktionszeit bis zum Alter von ca. 12 Jahren, beschreiben. Auch bzgl. der Latenz der P300 (Objektkategorisierung) ergaben sich präpubertär ausgeprägtere Latenzabnahmen als pubertär. In Bezug auf die Amplitude erweist sich jedoch die Veränderung im untersuchten Altersbereich als linear. Je älter die Probanden, umso geringer ist die Amplitudenauslenkung. Dies bedeutet, die Amplitude der P300, die mit Prozessen wie der bewussten Aufmerksamkeitszuwendung die für die Aufgabenbewältigung nötig sind, in Verbindung gebracht wird, nimmt kontinuierlich im untersuchten Altersbereich ab. Bei der Analyse der Habituation zeigte sich, dass die Kontrollprobanden die Aufgabe konstant gut bewältigen konnten. Die Habituation der Reaktionszeit weist einen umgekehrt u-förmigen Zusammenhang mit dem Alter auf. Während bei den jüngeren und älteren Kontrollen kaum eine Veränderung der Reaktionszeit im Verlauf zu verzeichnen ist, wird die Reaktionszeit im mittleren untersuchten Altersbreich etwas langsamer. Bei der Latenz ergaben sich keine signifikanten Habituations-Effekte im Zusammenhang mit dem Alter. Ausschliesslich an der Elektrode Cz traten Habituationseffekte auf, welche jedoch zurückhaltend zu bewerten sind. Bezüglich der Amplitude fand an allen drei untersuchten Elektroden eine Habituation statt. An der Elektrode Pz ergab sich zusätzlich ein linearer Zusammenhang von Habituation und Alter; je jünger die Probanden, desto ausgeprägter stellt sich die Habituation dar. Die Hinzunahme des Bayesianischen Informationskriteriums ermöglichte die Selektion eines �besten� Modells nach objektiv nachvollziehbaren Kriterien. In anderen Studien zur Entwicklung der P300 bei Kindern und Jugendlichen fand entweder ausschließlich die Testung eines einzigen statistischen Modells statt, oder es wurden verschiedene Modelle rein deskriptiv dargestellt. In vorliegender Arbeit kam mit dem Bayesianischen Informationskriterium erstmals ein Verfahren zum Einsatz, dass es erlaubt zu entscheiden, welches der Modelle die Daten am effizientesten abbildet. Damit können scheinbar widersprüchliche Ergebnisse vorheriger Studien zu großen Teilen aufgeklärt und integriert, sowie auch erweitert werden. Bei Einschluss der Migräniker zeigten sich keine statistisch signifikanten Unterschiede, dies gilt sowohl für die �klassische� Auswertung zu Lauf 1 als auch für die Habituation. Das bedeutet. die der endogenen Komponente P300 unterliegenden Reifungsprozesse bei Migränikern scheinen ungestört abzulaufen Dargestellte Untersuchung bildet ein Teilpojekt in der übergeordneten Studie: �Kopfschmerz. Physiologische Korrelate und Entstehungsdynamik�. Während sich bei vorliegender Stichprobe Störungen der zerebralen Reifung in den Paradigmen VEP und CNV ergaben, erwies sich die Entwicklung der P300-Komponente als unauffälig. Diese Ergebnisse legen nahe, dass Migräne mit einer Reifungsstörung spezifischer Informationsverarbeitungssysteme einhergeht. |