Popis: |
In der vorliegenden Arbeit wurde die Rolle der Biochemie und Bioenergetik bei zerebralen Organoazidopathien am Beispiel der Glutaryl-CoA-Dehydrogenase (GCDH)-Defizienz und der Succinatsemialdehyd-Dehydrogenase (SSADH)-Defizienz untersucht. Die GCDH-Defizienz ist eine erbliche Stoffwechselstörung im Abbau der Aminosäuren L-Lysin, L-Hydroxylysin und L-Tryptophan. Durch einen Defekt der GCDH akkumulieren bei Patienten Glutaryl-CoA, Glutarsäure (GA) und 3-Hydroxyglutarsäure (3-OH-GA) in Geweben und Körperflüssigkeiten. Unbehandelt wird diese Krankheit in der Kindheit zumeist durch eine striatale Degeneration im Rahmen einer enzephalopathischen Krise nach einer katabolen Stoffwechsellage kompliziert. Die SSADH-Defizienz ist eine erbliche Stoffwechselstörung im Abbau des Neurotransmitters gamma-Aminobuttersäure (GABA). Patienten fallen durch eine Akkumulation von GABA, gamma-Hydroxybuttersäure, Succinatsemialdehyd und 4,5-Dihydroxyhexansäure in Geweben und Körperflüssigkeiten infolge einer defekten SSADH auf. Häufige klinische Befunde sind psychomotorische Retardierung, epileptische Krampfanfälle, Bewegungstörungen und Verhaltensauffälligkeiten. Im bioenergetischen Teil der vorliegenden Arbeit wurde untersucht, ob eine mitochondriale, bioenergetische Dysfunktion an der Pathogenese dieser Erkrankungen beteiligt ist. Hierfür wurden endogene Enzymaktivitäten der Atmungskette und der beta-Oxidation in Gewebehomogenaten von Gcdh- und Ssadh-defizienten Mäusen bestimmt. An isolierten Enzymen, Gewebehomogenaten und submitochondrialen Partikeln wurde der Einfluss der akkumulierenden Metabolite auf die Enzyme der Atmungskette, der beta-Oxidation und des Citratzyklusses getestet. Oxidativer Stress wurde über die Glutathion-Konzentrationen in Gewebehomogenaten abgeschätzt. Das wichtigste Ergebnis für die GCDH-Defizienz war eine unkompetitive Hemmung der alpha-Ketosäure-Dehydrogenase-Komplexe - insbesondere des alpha-Ketoglutarat-Dehydrogenase Komplexes - durch Glutaryl-CoA. Es konnte kein weiterer Einfluss akkumulierender Metabolite auf die Enzyme des Citratzyklusses, der Atmungskette und der beta-Oxidation gefunden werden. Bei Gcdh-defizienten Mäusen waren die endogenen Aktivitäten von Enzymen der beta-Oxidation erniedrigt, die Aktivitäten der Atmungskettenkomplexe waren jedoch unverändert. Für die SSADH-Defizienz konnte keine Änderung endogener Enzymaktivitäten der Atmungskette oder ein direkter Einfluss akkumulierender Metabolite auf die Enzyme der Atmungskette oder des Citratzyklusses gefunden werden. Bei beiden Mausmodellen wurden im Gehirn erniedrigte Glutathion-Konzentrationen als Hinweis auf oxidativen Stress nachgewiesen Die biochemischen Eigenschaften (Gewebeverteilung, Bluthirnschranke [BBB]-Permeabilität und Herkunft der zerebralen Konzentrationen) akkumulierender Metabolite sind für die SSADH-Defizienz gut beschrieben. Obwohl GA und 3-OH-GA postulierte Neurotoxine sind, sind diese Faktoren bei der GCDH-Defizienz noch relativ unbekannt. Deshalb wurden diese biochemischen Eigenschaften für GA und 3-OH-GA untersucht. Hierzu wurden die Konzentrationen dieser Dicarbonsäuren in Gcdh-defizienten (Gcdh-/-) Mäusen, hepatozytären Gcdh-/--Mäusen und C57Bl/6-Mäusen nach einer intraperitonealen Injektion von d4-GA und d5-3-OH-GA gemessen. Zusätzlich wurde der Transport von d4-GA und d5-3-OH-GA über kapilläre Endothelzellen aus Schweinehirn, einem in vitro-Modell der BBB, untersucht. Die wichtigsten Ergebnisse waren wie folgt: 1) ein äquimolarer Anstieg zerebraler und hepatischer GA- und 3-OH-GA-Konzentrationen in Gcdh-/--Mäusen, 2) ein unterschiedlicher Anstieg (Leber >> Gehirn) bei hepatozytären Gcdh-/--Mäusen und C57Bl/6-Mäusen nach einer intraperitonealen Injektion von d4-GA und d5-3-OH-GA und 3) eine geringe Permeabilität der BCEC für GA und 3-OH-GA (Efflux > Influx). Diese Ergebnisse weisen auf eine zerebrale de novo-Synthese von GA und 3-OH-GA und anschließendes Trapping durch eine stark limitierte BBB-Permeabilität für diese Dicarbonsäuren hin. |