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Polyethylen (PE) ist der weltweit am häufigsten verarbeitete Kunststoff und wird für vielfältige Anwendungen wie Verpackungen, Isolationsmaterialien, Beschichtungen oder sogar beschusshemmende Westen verwendet. Dabei spielt die Polymerstruktur und -architektur und somit auch die Herstellungsmethode eine zentrale Rolle für die Eigenschaften des Materials. Durch die Verwendung von Ethylengas als Ausgangsstoff in der großtechnischen wie auch labortechnischen Herstellung, ist die gezielte Synthese von funktionellem Polyethylen und verschiedenen Polyethylenarchitekturen herausfordernd, weshalb die Entwicklung neuer Methoden zur kontrollierten Synthese in den letzten Jahren einen enormen Aufschwung erlebte. Jedoch basieren die meisten dieser Methoden weiterhin auf der Verwendung von gasförmigem, leicht entzündlichem Ethylen, das vor allem im Labormaßstab zusätzliche Sicherheitseinrichtungen zur Handhabung erfordert. Daher stand die Entwicklung einer kontrollierten, ethylengasfreien Synthesemethode für PE im Zentrum dieser Arbeit. Diese Idee sollte mittels der Decarboxylierung von Phthalimidaktivestern verwirklicht werden. Zwei Decarboxylierungsmethoden, eine thermische und eine photochemische, wurden im Zuge dieser Arbeit in die Polymerchemie eingeführt und hinsichtlich ihrer Effektivität zur Synthese von PE-Polymeren aus einem acrylatbasierten Vorläuferpolymer verglichen. Im Rahmen des ersten Projekts wurde zunächst die Synthese von reinem PE mittels der Decarboxylierung des Homopolymers Poly[N-(acryloyloxy)phthalimid] (PAP) untersucht. Die Analyse der durch die Variation der Reaktionsparameter (Temperatur, Zeit, Konzentration) erhaltenen Polymere zeigte, dass die Unlöslichkeit des Polymers aufgrund des steigenden Polyethylenanteils die Ursache für die auftretende Limitierung des Umsatzes der Decarboxylierung ist. Um die Löslichkeitsproblematik zu umgehen, wurde der Fokus daher auf die Synthese von Vorläuferblockcopolymeren gelegt. Bei diesen sollte durch die Decarboxylierung des Phthalimidblocks PE erhalten werden, während der zweite Block die Löslichkeit des Polymers während der Decarboxylierung und der darauffolgenden Analyse gewährleistet. Die phthalimidbasierten Vorläuferpolymere wurden hierbei mittels reversibler Additions-Fragmentierungs Kettenübertragungspolymerisation (RAFT), die eine exzellente Kontrolle über die Polymerisation und die Möglichkeit zur Synthese von Blockcopolymeren sicherstellte, synthetisiert. Daraufhin wurde eine Bibliothek verschiedener Polymere unterschiedlicher Kettenlängen und Comonomeren aufgebaut, um i) zu demonstrieren, dass die Architektur der PE-Polymere vordefiniert werden kann und ii) das Löslichkeitslimit sowie die Löslichkeitscharakteristik des PEs zu untersuchen. Die Polymere wurden im nächsten Schritt sowohl mittels der thermischen als auch der photochemischen Methode decarboxyliert, wobei erfolgreich PE-Blockcopolymere verschiedener Kettenlängen erhalten und diese umfassend analysiert wurden. Die Analyse der erhaltenen Polymere zeigte jedoch auch, dass während der Decarboxylierung eine Nebenreaktion abläuft die in der Bildung einer Comonomerfraktion im PE-Block resultierte. Daraufhin wurde Tributylzinnhydrid als Wasserstoffdonor verwendet und mittels der photochemischen Methode wurden PE-Blockcopolymere in hoher Reinheit erhalten, während mittels der thermischen Methode Polymere mit geringerer Reinheit, die sich nicht weiter erhöhen lies, erhalten wurden. Der Vergleich der beiden Methode zeigte, dass die photochemische Methode der thermischen Methode klar überlegen ist, da Blockcopolymere in höherer Reinheit erhalten und weniger toxische Reaktanden (insbesondere Nickel(II)-chlorid) verwendet wurden. Im zweiten Ansatz wurde das zugrundeliegende Ziel dieser Arbeit, die ethylenfreie Synthese von reinem PE weiterverfolgt. Da die Ergebnisse des ersten Projekts zeigten, dass der intelligente Einsatz von Polymerarchitekturen genutzt werden kann, um die Löslichkeitslimitierung der Decarboxylierung zu umgehen, wurde ein spaltbares Blockcopolymer, das während der Decarboxylierung die Löslichkeit gewährleistet und in einem weiteren Schritt abgespalten werden kann, entwickelt. Daher wurde im nächsten Schritt ein MakroRAFT-Agens mit einer Polyethylenglycolkette (PEG) synthetisiert. Während die PEG-Kette die Löslichkeit während der Decarboxylierung gewährleistet, kann sie mittels Aminolyse abgespalten werden, um reines PE zu erhalten. In der darauffolgenden Decarboxylierung entstand wiederum eine Comonomerfraktion basierend auf einer Nebenreaktion von Phenylsilan. Im Folgenden wurde die Decarboxylierung auch hier durch den Einsatz von Tributylzinnhydrid an Stelle von Phenylsilan erfolgreich optimiert. Im nächsten Schritt wurde die Aminolyse genauer untersucht und ein zweistufiger Prozess entwickelt, in dem die Decarboxylierung sowie die Spaltung mittels Ethylendiamin nacheinander ohne Zwischenschritt ablaufen. Letztlich wurden Vorläuferpolymere drei verschiedener Kettenlängen synthetisiert, um das Limit der Methode evaluieren. Das erhaltene PE wurde detailliert mittels Hochtemperatur-1H und -13C NMR Spektroskopie, ATR-FT-IR Spektroskopie, DSC und Hochtemperatur-SEC analysiert, wobei die hohe Effizienz der Decarboxylierung und der Aminolyse sowie die Reinheit des PEs und die vordefinierten Kettenlängen bewiesen wurden. Damit wurde das fundamentale Ziel dieser Arbeit, die Entwicklung einer ethylenfreien Synthesemethode für PE mittels Decarboxylierung eines acrylatbasierten Vorläuferpolymers erreicht. Das dritte Projekt befasste sich mit der Erweiterung der Decarboxylierung von PAP um Funktionalisierungsreaktionen. Zuerst wurde eine Michael-Typ Addition mit drei verschiedenen α, β-ungesättigten Carbonylverbindungen erfolgreich an dem Homopolymer PAP durchgeführt und damit der Zugang zu neuartigen Polymer mittels einer hoch effektiven und orthogonalen Methode ermöglicht. Im nächsten Schritt wurde die Nitroxid-Radikal Kupplung (NRC) genutzt, um TEMPO und Derivate in das Polymer einzuführen. Die Kupplung wurde sowohl an Homo- als auch an Blockcopolymeren erfolgreich demonstriert. Die Synthese von TEMPO-funktionalisiertem PE durch die simultane Decarboxylierung von PAP mit einem Wasserstoffdonor und NRC mit TEMPO erwies sich aufgrund der Konkurrenzreaktion zwischen dem Tributylzinn- und dem TEMPO-Radikal als herausfordernd. Daher wurde die Decarboxylierung in zwei Schritte aufgeteilt, was zwar das Ergebnis verbesserte, der synthetische Mehraufwand den Nutzen jedoch zunichtemachte. Nichtsdestotrotz ermöglichte NRC von PAP-Polymeren den Zugang zu einem breiten Spektrum von TEMPO-funktionalisierten Copolymeren. Die im weiteren Verlauf des Projekts angepeilte Reduktion des Alkoxyamins mittels Zink und Essigsäure, die eine alternative Synthesemethode für Polyvinylalkohol darstellen würde, konnte aufgrund der hohen sterischen Abschirmung der C O Bindung durch die Methylgruppen von TEMPO und des Polymerrückgrats nicht durchgeführt werden. Im nächsten Schritt wurde ein TEMPO-funktionalisiertes Blockcopolymer erfolgreich für eine Pfropfpolymerisation von Styrol verwendet werden. Dabei wurde die thermolabile C-O Bindung zwischen TEMPO und dem Polymerrückgrat in der Gegenwart von Styrol reversibel homolytisch gespalten und erfolgreich ein Polystyrol Pfropfblockcopolymer herzgestellt. Zusammenfassend wurde mit der Erweiterung der Decarboxylierung von PAP um Funktionalisierungsreaktionen das Ziel der Arbeit bei weitem übertroffen. Während mittels der Michael-Typ Addition der Zugang zu Polymeren mit neuen Funktionalitäten und neuen Strukturen auf effiziente Weise eröffnet wird, ermöglicht die erstmalige Kombination aus NRC und Decarboxylierung von PAP die neuartige Synthese von Pfropfcopolymeren. Im Rahmen des letzten Projekts sollte die in den ersten beiden Projekten optimierte photochemische Decarboxylierungsmethode auf das Methacrylat des Phthalimidpolymers Poly[N (methacryloyloxy)phthalimid] (PMAP) übertragen werden. Durch die zusätzliche Methylgruppe am Polymerrückgrat soll so in einer kontrollierten, propylengasfreien Synthese Polypropylen (PP) erhalten werden. Daher wurden in einem ersten Schritt methacrylbasierte Blockcopolymere synthetisiert und decarboxyliert. Die Analyse des Decarboxylierungsprodukts ließ jedoch darauf schließen, dass eine Zersetzung des Polymerrückgrats durch β-Spaltung stattfand. Daraufhin wurden die Reaktionsparameter der Reaktion umfassend variiert; PP Blockcopolymere konnten jedoch nicht in vergleichbarer Reinheit und Effizienz erhalten werden. Trotzdem konnte eine neuartige Methode zur kontrollierten Zersetzung von methacrylatbasierten Polymeren untersucht werden. Des Weiteren wurden gewonnenen Erkenntnisse durch eine kürzlich publizierte Studie untermauert. Zusammenfassend wurde die erste, ethylenfreie und kontrollierte Synthesemethode mittels Decarboxylierung eines acrylatbasierten Vorläuferpolymers für Polyethylen und Polyethylenblockcopolymere entwickelt und die hohe Effizienz der Reaktion durch umfassende Analyse der Polymere untermauert. Dabei wurde die intelligente Verwendung von Polymerarchitekturen dazu verwendet, Herausforderungen im Zusammenhang mit der Decarboxylierung zu überwinden. Durch umfassende Variation und Optimierung der Reaktionsparameter wurde eine optimale Reaktionsführung für die photochemische Decarboxylierung phthalimidbasierter Polymere entwickelt. Außerdem wurde die in-situ Michael-Typ Addition während der Decarboxylierung von PAP als Methode zur Synthese neuartiger Polymere sowie in-situ NRC von TEMPO der Polymerchemie zugänglich gemacht und eine neue Route zur kontrollierten Synthese von Pfropfcopolymeren etabliert und somit ein neuer Werkzeugkasten für die Polymerchemie aufgebaut. Damit wurde in Zeiten eines wachsenden Bedarfs an PE und funktionellen Polyethylenen sowie funktionellen Polymeren im Allgemeinen, eine kontrollierte und effiziente Alternative zu bereits etablierten Methoden geschaffen. |