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Angesichts des Klimawandels und einer stetig wachsenden Weltbevölkerung können Mikroalgen eine wichtige Rolle als nachhaltige Energie- und Nahrungsquelle der Zukunft spielen. Zur Extraktion wertvoller Inhalts- und Nährstoffe ist ein Zellaufschluss notwendig. Die Elektroimpulsbehandlung (EIB) bietet eine energieeffiziente und schonende Alternative im Vergleich zu mechanischen Zellaufschlussmethoden. Jedoch sind die biologischen Prozesse und zellulären Mechanismen hinter dem Zelltod nach EIB noch wenig untersucht. Aus diesem Grund wurden die einzellige grüne Mikroalge Chlorella vulgaris und das Cyanobakterium Spirulina als Modellorganismen verwendet, um die Wirkung von EIB auf biologische Zellen zu untersuchen. Dafür wurde eine Methode zur Überwachung der Viabilität nach EIB unter Verwendung von Fluoresceindiacetat (FDA) in C. vulgaris etabliert. Im Anschluss wurden die experimentellen EIB-Parameter so eingestellt, dass ein fixes Verhältnis von Zellen nach der Behandlung abstirbt, während der andere Teil überlebt. Mit diesen Werkzeugen war eine quantitative Analyse des Zelltodes nach EIB möglich. Basierend auf den Analyseergebnissen wurde die EIB-Extraktion von Proteinen und dem wertvollen blauen Farbstoff Phycocyanin aus Spirulina unter verschiedenen post-EIB Inkubationsbedingungen untersucht. Zur Optimierung der Elektroextraktionseffizienz in Spirulina wurden die Einflüsse des pH des externen Mediums, der Biomassekonzentration, der Zellaggregation sowie der Energiereduktion untersucht. Das optimierte Elektroextraktionsprotokoll mit höherer Biomassekonzentration und geringerer Behandlungsenergie erfordert eine post-EIB-Inkubation unter kontrollierten Bedingungen (Raumtemperatur, pH 6 oder 8, homogene Suspension), die für die Freisetzung und Stabilität von Phycocyanin entscheidend sind. Mit diesem Wissen besteht eine mögliche biotechnologische Anwendung darin, schonende EIB mit niedrigstem Energieeintrag durchzuführen, was zu einer effizienten Protein- und Phycocyanin-Gewinnung führt. An C. vulgaris konnte gezeigt werden, dass EIB mit niedrigem Energieeintrag auch als abiotisches Stresssignal wirken kann. Dies wurde sichtbar in Form einer gestörten Redox-Homöostase, bei der sowohl die Freisetzung von Wasserstoffperoxid als auch Lipidoxidation gemessen werden konnten. Die Hemmung von Prozessen, die mit dem programmierten Zelltod (PCD) zusammenhängen, zeigten, dass höchstwahrscheinlich Ca-Signalwege, Aktindynamik und Membranversteifung keine notwendige Rolle beim EIB-induzierten Zelltod spielen. Die Freisetzung von Cytochrom f konnte nur im Hochdruckhomogenisations (HPH) Extrakt und nicht nach EIB nachgewiesen werden. Zellsuspensionen mit hoher Zelldichte, die an der Überlebensschwelle gepulst wurden, zeigten nur eine langsame Manifestation des Zelltods. Dies führte zur Entdeckung eines Zelltod-induzierenden Faktors (CDIF). Es konnte nachgewiesen werden, dass durch EIB und HPH-Behandlung der CDIF aus C. vulgaris extrahiert werden kann. Wasserlöslicher Extrakt, der diesen CDIF enthielt, führte zum Absterben von unbehandelten Mikroalgen (insbesondere nur bei C. vulgaris). Weitere Experimente zeigten die Entstehung des CDIF in der stationären Wachstumsphase, Hitzelabilität und Dosisabhängigkeit. Ebenso wie die Empfindlichkeit gegenüber direkter EIB hing die Empfindlichkeit der Empfängerzellen gegenüber dem CDIF vom Zellzyklusstadium ab. Untersuchungen zur Extraktionseffizienz von Proteinen aus C. vulgaris führten zu dem Ergebnis, dass die erforderliche spezifische Energie für maximalen Ertrag der zuvor bestimmten Behandlungsenergie an der Überlebensschwelle entspricht. Alle experimentellen Ergebnisse weisen darauf hin, dass der EIB-induzierte Zelltod und die damit verbundene hohe Extraktionseffizienz nicht nur auf rein physikalische Phänomene zurückzuführen sind, sondern einen biologischen Prozess beinhalten müssen. Das Arbeitsmodell bezüglich des CDIF beinhaltet, dass der Faktor aus zellwandabbauenden Enzymen wie Chitinasen besteht. EIB bei sehr geringem Energieeintrag wirkt als abiotisches Stresssignal. In Kombination mit einer beschädigten Zellintegrität aufgrund von Poren in der Zellmembran führen PCD-Prozesse zu einer enzymatischen Autolyse, bei der der CDIF (Chitinasen) freigesetzt wird. Die Zellwand wird durch den CDIF geschwächt. Wird der CDIF-haltige Extrakt unbehandelten Empfängerzellen zugesetzt, zeigt er zunächst über den Zellwandabbau eine äußere Wirkung. Nach Internalisierung kann der CDIF als internes Signal fungieren, das PCD auslöst. |