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Zusammenfassung Ziel Infolge steigender Krankenkassenausgaben wachst die Notwendigkeit einer Priorisierungsdiskussion im deutschen Gesundheitswesen. Eine solche wurde in den vergangenen Jahren vermieden, sodass normative Vorgaben fehlen. Dies kann zu einer verdeckten Priorisierung unter Leistungserbringern im medizinischen Alltag fuhren. Priorisierung ist auf staatlicher (Makro), korporatistischer (Meso) und Patientenebene (Mikro) moglich. Analysen zu den gesellschaftlichen Praferenzen verschiedener Kriterien liegen vor. Allerdings ist unklar, wie eine Gewichtung dieser Kriterien bei Priorisierungsentscheidungen auf der Ebene der Erstattung von verschiedenen Arzneimitteln (Meso) ausgestaltet sein kann. Deshalb untersucht diese Studie die Anwendung und Gewichtung der Priorisierungskriterien auf der Meso Ebene unter Berucksichtigung des Einflusses von Wertevorstellungen und Erfahrungen. Methode Sechs Gruppendiskussionen mit Vertretern aus den Bereichen Medizin, Ethik, Public Health, Okonomie u.w. wurden durchgefuhrt. Dabei wurden Informationen zu vier fiktiven Arzneimitteln fur die Behandlung verschiedener Lungenerkrankungen in die Gruppen eingebracht, priorisiert und mit der dokumentarischen Methode ausgewertet. Ergebnisse Die Kriterien Lebensqualitat, Lebenserwartung und weitere patientenrelevante Endpunkte (PE) wurden in dieser Studie haufig im Verhaltnis zueinander diskutiert. Veranderungen der PE konnten von nicht-medizinisch ausgebildeten Teilnehmern nur schwer erfasst werden. Daruber hinaus wurden die Kriterien Kosten, Krankheitsschwere und Anzahl Patienten gegeneinander abgewogen. Kosten wurden eher zuruckhaltend eingesetzt, dienten aber oft als Unterstutzungsargument fur andere Kriterien. Ebenso traten Rollenkonflikte zwischen Profession und personlicher Uberzeugung, sowie die Ubertragung der Diskussion auf eine andere Entscheidungsebene als Herausforderungen bei Priorisierungsentscheidungen hervor. Diskussion Nicht die verschiedenen Praferenzen fur einzelne Kriterien stellten ein Problem bei der Priorisierung dar, sondern deren missbrauchliche Anwendung. Die Operationalisierung der Kriterien scheint abhangig von dem individuellen Bezug zu den Erkrankungen, der Einstellung zur Priorisierung und der Ubereinstimmung von Evidenz und eigenen Erfahrungen. Diese Hypothesen sollten in weiteren Analysen untersucht werden. |