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Der Beschluss des deutschen Bundestags über die ,,Ehe für alle“2 vom 30. Juni 2017 löste eine Reihe von Diskussionen über die Ehe als das gesetzlich geregelte Zusammenleben aus. Im Zentrum der Debatten stand nicht die Form, sondern die Normierung der Ehe. Hierfür grundlegend ist der Artikel 6 des bundesrepublikanischen Grundgesetzes, der die Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt und erlaubt, Ehe und Familie als Lebensgemeinschaft im Sinne einer personellen Exklusivität zu begreifen. In seiner Auslegung wird zum einen angemerkt, er enthalte keine Definition der Ehe3 und zum anderen, der Schutz und die Institutionsgarantie der Ehe stünden ,,gesetzlichen Reglungen zum Schutz eheähnlicher oder gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften nicht schlechthin“4 entgegen. Dem Beschluss des deutschen Bundestags folgten politische und kirchliche Kontroversen, zu denen die Öffentlichkeit je nach ihrer Fassung Position bezog. Politisch wurde er als ,,Ankunft in der Gegenwart“ bezeichnet.5 Auch die Evangelische Kirche in Deutschland äußerte keine Einwände; die katholische Amtskirche hingegen zeigte starke Vorbehalte: Ihr gelte die Ehe nämlich als die Lebens- und Liebesgemeinschaft von Mann und Frau.6 Die Kontroversen spiegeln ein Paradoxon wider: Die Formen eines partnerschaftlichen Zusammenlebens lassen sich zwar einer politischen und religiösen Norm unterziehen, legen aber offen, dass solch eine Norm auch das Potential besitzt, sich selbst in Frage zu stellen. Norm und Devianz gehen so Hand in Hand. |