Popis: |
»Ein Privatisierungshalbjahr zum Vergessen!« klagte der letzte Bericht des Privatization Barometer zum Umfang der Privatisierung in der ersten Jahreshalfte 2008. Tatsachlich ist die aktuelle »Schwache« der seit den fruhen 80er Jahren ausgreifenden Politik der Privatisierung unbestreitbar. Ist also die Zeit der Privatisierung zu Ende? Mit Recht lasst sich von einer Krise der Privatisierung sprechen – doch was sind ihre Ursachen? Ist dies eine Wende – und ist sie von Bestand? Zur Beantwortung dieser Fragen wird man sich daran erinnern mussen, dass die lange Dynamik der Privatisierung gleichermasen Resultat und Triebkraft jener Vertiefung der Ungleichheit gewesen ist, die in den 70ern mit globalem Schwung einsetzte. In den Zentren des Kapitalismus (USA, EU, Japan) verdoppelte oder verdreifachte zwischen 1975 und 2005 das oberste eine Prozent der Vermogensbesitzer und Einkommensbezieher seinen Anteil am Volksvermogen und -einkommen, eine dramatische, unerhorte, nur mit der Situation der goldenen Grunderzeit des modernen, imperialen Kapitalismus seit den 1890er Jahren vergleichbare Steigerung. Diese Verschiebung war auch ein Ergebnis der Vermogensbildung aus der Privatisierung staatlichen (und genossenschaftlichen) Eigentums und der Inwertsetzung solcher Guter, die noch gar kein Bestandteil erwerbswirtschaftlicher Tatigkeit waren – also nutzlicher Guter der Natur und der »immateriellen«, intellektuellen Produktion. Die dabei angehauften riesigen Kapitale suchten Anlageund Verwertungsfelder und fanden sie immer neu in Bestanden offentlichen Eigentums. Die Privatisierung des Offentlichen ist in den letzten drei Jahrzehnten eine ganz wesentliche Triebkraft bei der Herausbildung eines neoliberalen Finanzmarktkapitalismus gewesen. 2005 jedoch geriet diese beispiellose Ausweitung der neoliberalen Privatisierung offentlichen Eigentums und der Inwertsetzung ins Stocken. Die Politik der Privatisierung geriet in die Krise. 2006-2008 verringerte sich ihre Bedeutung als Medium der Umverteilung von Reichtum und Macht rapide – zumal die Filetstucke des offentlichen Eigentums langst ihren Besitzer gewechselt hatten. Zur 2007 offenbar gewordenen galoppierenden »Kernschmelze des Finanzsektors« gehort, dass aktuell das Anlage suchende Kapital der Finanzinvestoren als machtigste Triebkraft der Privatisierung dramatisch an Kraft verloren hat. Das spektakularste Beispiel hierzulande war der »verschobene« Borsengang der Deutschen Bahn AG. Doch diese Krise der Privatisierung reflektiert nicht nur die Schwache der Finanzakteure. Sie spiegelt ebenso den Zusammenbruch der ganzen Hagiographie des neoliberalen Privatisierungsprojekts und seiner Rhetorik von Effizienz, Kostenersparnis, Flexibilitat usw. wider. Die neuen politischen Kampfe um Rekommunalisierung, die Wiederaneignung offentlicher Dienste und Guter und die Sicherung der Zuganglichkeit der grundlegenden Versorgungsleistungen, wie 8 sie sich im letzten Jahrfunft zunachst in Sud- und Mittelamerika, dann aber von Wellington bis Leipzig entwickelten und die Politik der Privatisierung immer starker unter Rechtfertigungsdruck setzten, haben ebenso dazu beigetragen, dass dieses Schlusselprojekt des Neoliberalismus immer starker in die Defensive geraten ist. Allerdings: Krisen sind wahre Wunderkammern der Enteignung. Da ist Kapital uberakkumuliert, was meint: es findet gegenuber der Zeit vor der Krise nur noch vergleichsweise schlechtere Verwertungs-, also Profitbedingungen. Grose Kapitalstucke werden so entwertet. Dabei werden gesellschaftlicher Reichtum und Privateigentum umverteilt: von unten nach oben und von oben nach ganz oben. Die wenigen Ausnahmen bestatigen diese einfache Regel und die neue grose Krise zeigt dasselbe Bild: Die Eigentumslandschaft wird umgepflugt. Die neoliberalen Staatseliten, die uber Jahrzehnte grose Stucke ihrer eigenen okonomischen Machtbasis an Finanzinvestoren verscherbelten und so die neue Dominanz der Finanzmarkte zu organisieren halfen, versuchen nun unter Einsatz von Milliaren Euro und Dollar diese Grundkonstellation zu bewahren – auch zum Preis einer Veranderung der formellen Eigentumsverhaltnisse. Ob diese neue Politik der Verstaatlichung und der Regulierung der Finanzmarkte diese Krise uberwinden und letztlich die neoliberale Grundkonstellation, wie modifiziert auch immer, erhalten kann, ist offen und umstritten. Die gegenwartige Politik der Krisenuberwindung durch eine neue Runde ungeheurer Mobilisierung offentlicher Mittel wird jedoch dazu fuhren, dass zugleich neuer Druck zur Privatisierung offentlicher Sektoren entstehen wird – in der Bundesrepublik insbesondere auf der Ebene der Lander und Kommunen, der Infrastruktur und der offentlichen Dienste. Ahnliches konnte unter globalem Vorzeichen geschehen: China als der weltweite Protagonist der Privatisierung staatlichen Eigentums wird diese Politik voraussichtlich nicht vollig aufgeben, sondern angesichts seiner gestarkten Position in der Weltwirtschaft in abgeschwachter Form fortsetzen. Die gegenwartige tiefe soziale und wirtschaftliche Krise bedeutet also nicht ein Ende der Politik der Privatisierung. Diese wird es erst dann geben, wenn eine Politik des Offentlichen hegemonial und die aktuelle der kapitalistischen Verstaatlichung uberwunden sein wird. Umrisse einer solchen zeichnet dieser Band nach. |