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ZusammenfassungJudenfeindschaft wird heute häufig mit dem Begriff Antisemitismus gleichgesetzt. Dies gilt sowohl im allgemeinen Sprachgebrauch als auch in wissenschaftlichen Diskursen. Daneben gibt es jedoch Stimmen, die für eine begriffliche Differenzierung plädieren, weil Ziele und Erscheinungsformen der Judenfeindschaft zu unterschiedlich seien, als dass sie unter einem einzigen Oberbegriff subsummiert werden könnten. Zugleich lässt sich beobachten, dass eine begriffliche Unterscheidung zwischen älterem (religiösem) Antijudaismus und modernem (säkularem) Antisemitismus mitunter auch apologetische Ziele verfolgt.Der Artikel geht der Frage nach, ob und inwieweit ältere Antijudaismen bis heute relevant sind. Dabei soll anhand ausgewählter Beispiele gezeigt werden, dass sich die Entwicklungen und Transformationen von einer älteren, religiösen (meist christlichen) Judenfeindlichkeit zu einem modernen, säkularen Judenhass nicht in einem linearen Prozess vollzogen haben. Während sich bereits in christlich-spätantiken Texten säkulare antijüdische Stereotype finden, wirken auch in gegenwärtigen, scheinbar säkularen Kontexten christlich geprägte antijüdische Feindbilder und Denkmuster nach. Der Blick auf die Quellen soll verdeutlichen, dass Judenfeindschaft in der Regel ein komplexes System aus Feindbildern und Vorstellungen unterschiedlicher – religiöser und nichtreligiöser – Herkunft ist. Insofern versteht sich der Artikel auch als Plädoyer dafür, traditionellen, christlich geprägten und tradierten antijüdischen Stereotypen mehr Aufmerksamkeit zu widmen. |