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Es war ein Dechant von Kostendorf — zu Ungewisser Zeit. Denn in Kostendorf gibt es keine Zeit. Ich ging einmal selbst durch Kostendorf — namlich Alt-Kostendorf —, ich kam uber die hohe Leiten vom Tannberg herunter, es lautete eben Mittag, als ich das Dorf betrat, und da merkte ich gleich, hier war alles Erdenkliche — Sonne und Schatten, Tag und Nacht, Schmeisfliegen, Wirtshaus, Kirchenuhr, Telegraphendrahte, aber keine Zeit. Woran ich das merkte, kann ich nicht genau erklaren. Ich horte die Glocke lauten — ich roch, das es im Pfarrhaus Schmalzgebackene Apfelspalten gab. Ich sah den silbernen Wasserstrahl aus einem Brunnenrohr laufen — ich sah, das das Postamt geschlossen war — und ich sah den alten Christusdorn hinter dem blanken Fenster einer Bauernstube, uber dessen ganze Hohe und Breite er sich nach allen Seiten hin ausrankte. Einige seiner um ein Gitter gewundenen Zweige waren mit langlich zugespitzten, graugrunen Blattern besetzt, und kleine rote Bluten wie Blutstropfen zwischen die langen Stacheln gesprengt, andere schienen durr und saftlos wie totes Holz, wieder andere trieben grade frisch aus, alles zu gleicher Zeit, und mir fiel ein, das dieses fremdartige Gewachs, auch Dornenkrone genannt — wie viele, die in den Blumentopfen der Bauern heimisch sind — aus dem Orient stammt und wohl in den Kreuzzugen heruberkam. |