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In der vorliegenden Studie wurde die Verteilung der räumlichen und zeitlichen visuellen Aufmerksamkeit unter dem Einfluss von Lorazepam untersucht. Lorazepam ist ein Benzodiazepin-Derivat, welches der Gruppe der vorwiegend dämpfenden Pharmaka, den Tranquilizern, zuzuordnen ist. Benzodiazepine haben neben der anxiolytischen und sedativ-hypnotischen Wirkung muskelrelaxierende, antikonvulsive und antiaggressive Effekte. Sie werden bei Angst, Unruhe, Spannung, Gereiztheit, Schlafstörungen und psychosomatischen Beschwerden eingesetzt. Benzodiazepine werden an spezifischen Benzodiazepin-Rezeptoren auf GABA-ergen Synapsen wirksam und verstärken die hemmende Wirkung von GABA, einem der wichtigsten inhibitorischen Neurotransmitter im Zentralnervensystem. Neben den erwünschten therapeutischen Effekten führen Benzodiazepine auch zu einer Reihe unerwünschter Nebenwirkungen, wie Müdigkeit, Schläfrigkeit, Konzentrationsschwäche sowie Einschränkungen der Aufmerksamkeit und des Reaktionsvermögens. Es konnte bereits nachgewiesen werden, dass Benzodiazepine sich auf den Aspekt der räumlich-zeitlichen Verteilung der Aufmerksamkeit im visuellen Raum in spezifischer Weise auswirken (Johnson et al. 1995, Carter et al. 1998). In der vorliegenden Arbeit wurde zunächst versucht, diesen bereits beschriebenen Effekt von Lorazepam auf die räumlich-zeitliche Verteilung der visuellen Aufmerksamkeit erneut nachzuweisen. Weiterhin wurde überprüft, ob sich ebenfalls ein Einfluss von Lorazepam auf die rein zeitliche Verteilung der Aufmerksamkeit nachweisen lässt. Zur Untersuchung der beschriebenen Fragestellungen nahmen 20 gesunde Probanden (10 Frauen, 10 Männer, mittleres Alter 25) an einer placebo-kontrollierten Doppel-Blind-Studie teil. Ihnen wurde zu den beiden Messzeitpunkten des Versuchs je nach Stufe des Treatmentfaktors entweder eine Placebo- oder eine Lorazepam-Kapsel (0.02 mg Tavor/kg Körpergewicht) verabreicht. Drei Stunden nach Einnahme hatten die Probanden zwei visuelle Suchaufgaben vom Typ eines Cue-Paradigmas und eines RSVP-Paradigmas zu bearbeiten. Bei dem Cue-Paradigma nach Posner (1980) handelt es sich um eine visuelle Reiz-Reaktions-Aufgabe mit peripheren Hinweisreizen zur Untersuchung der Verteilung der Aufmerksamkeit im visuellen Raum. Bei diesem Paradigma werden nicht nur räumliche Aspekte, sondern durch den zeitlichen Abstand zwischen Hinweis- und Zielreiz implizit auch zeitliche Charakteristika der Aufmerksamkeit untersucht. Das RSVP-Paradigma dient der Untersuchung der Verteilung der Aufmerksamkeit im zeitlichen Verlauf durch die Analyse der Interferenzen zeitlich aufeinanderfolgender Reize. Dieses Paradigma verfügt lediglich über eine zeitliche, nicht jedoch über eine räumliche Komponente. Bezüglich dieser beiden Experimentalparadigmen wurde unter anderem die Hypothese aufgestellt, dass unter Lorazepam-Einfluss dieselben verfahrenstypischen Reaktionsphänomene auftreten sollten wie unter Placebo-Einfluss, allerdings wurde eine zeitliche Verzögerung dieser Effekte im Vergleich zur Placebo-Bedingung erwartet. Diese Hypothese wurde aus den bereits vorliegenden Studien zum Einfluss von Benzodiazepinen auf die räumlich-zeitliche Verteilung der Aufmerksamkeit im Cue-Paradigma abgeleitet, wobei entsprechende Effekte auch für die rein zeitliche Verteilung der Aufmerksamkeit im RSVP-Paradigma erwartet wurden. Bezüglich der Hypothesen zur Wirkung von Lorazepam auf die räumliche und zeitliche Verteilung der Aufmerksamkeit konnte neben einer generellen Verlangsamung unter der Einwirkung von Lorazepam der spezifische Einfluss des Medikaments auf die räumlich-zeitliche Verteilung der Aufmerksamkeit im Cue-Paradigma repliziert werden. Hier traten dieselben verfahrensspezifischen Effekte wie in der Placebo-Bedingung auf, der Zeitverlauf des Reaktionsmusters schien sich jedoch unter Lorazepam-Einfluss zu verschieben. Zwar erreichten die zum zeitlichen Verlauf durchgeführten statistischen Analysen in dieser Studie kein signifikantes Niveau, die Ergebnisse lassen jedoch von der Tendenz her auf einen solchen Effekt schließen. Dagegen konnten im Bereich des rein zeitlichen Aspekts der Aufmerksamkeitsverteilung keine spezifischen Auswirkungen von Lorazepam auf den Reaktionsverlauf gefunden werden, vielmehr entsprachen das dort gefundene Muster und sein zeitlicher Verlauf, abgesehen von den generellen Niveauunterschieden zwischen den beiden Treatment-Bedingungen, in etwa denen der Placebo-Bedingung. |