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In der Sowjetunion haben sich aufgrund der mangelhaften, staatlichen Versorgungssituation Strukturen im informellen Bereich entwickelt, die es der Bevölkerung ermöglichten diese Missstände auszugleichen. Der Zugang zu Gütern und Dienstleistungen bzw. die Einflussnahme auf Entscheidungen über persönliche Netzwerke und informelle Kontakte wurde in der UdSSR Blat (блат) genannt. Bei Blat wurden unter dem Deckmantel des freundschaftlichen Aushelfens staatliche Ressourcenflüsse zur Deckung des persönlichen Bedarfs umgeleitet. Die Leistungen wurden nicht umsonst vergeben, sondern der Empfänger zahlte den staatlich festgesetzten Preis. Blat wurde nicht eingesetzt, um Leistungen unentgeltlich zu erhalten, sondern um den Kauf zu ermöglichen. Durch die Gewährung des Zugangs zu knappen Ressourcen sicherte sich der Spender im Gegenzug den Anspruch auf eine Ausgleichsleistung. Die Abgeltung konnte sofort erfolgen, fand jedoch üblicherweise zeitverzögert statt – manchmal sogar erst Jahre später. Die informelle Abwicklung verhinderte eine allgemein gültige Reglementierung von Blat-Aktivitäten, weshalb im Zuge dieser Diplomarbeit versucht wurde die sozialen Funktionsmechanismen von Blat anhand von vier sozialen Konzepten (Sozialkapital, soziale Netzwerke, Reziprozität und Klientelismus) zu analysieren. Die dafür erforderlichen Informationen wurden anhand von acht problemzentrierten Interviews (vgl. Witzel 1982) mit Bewohnerinnen der ehemaligen Sowjetunion erhoben und anhand der strukturierten, qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet. Es hat sich gezeigt, dass Blat-Kontakte einen Ressourcencharakter aufwiesen, wenn es darum ging Leistungen zu erhalten. Die Basis des Austauschs bildete die wechselseitige Zugangsgewährung zu Gütern und Dienstleistungen. Die hohe Präsenz von Blat in der Sowjetunion lassen auf die Existenz von Blat-Netzwerken schließen, wobei zwischen den beteiligten Akteuren sowohl ein gleichberechtigtes, als auch ein asymmetrisches Verhältnis bestehen konnte. |