Popis: |
Obwohl Österreich ein Land mit vielsprachiger Vergangenheit ist, das im Laufe der Zeit abwechselnd Immigrations-, Emigrations- und Transitland war, sind die Begriffe Multikulturalität und Mehrsprachigkeit mehrheitlich negativ besetzt. Die Migrationsrealität Österreichs, die sich mit einem Anteil von 20% nicht länger verleugnen lässt, wird von der Politik sowie dem Schul- und Bildungswesen nach wie vor weitgehend ignoriert. Vor allem muslimischen MigrantInnen begegnet die österreichische Bevölkerung mit Fremdenfeindlichkeit, da der Islam als unvereinbar mit dem modernen Europa gesehen wird. Die Integration, welche von MigrantInnen verlangt wird, ist per definitionem ein wechselseitiger Prozess und steht in krassem Gegensatz zur Assimilation, der Anpassung einer Gruppe an eine andere. In den 1990er Jahren wurde „Interkulturelle Erziehung“ als Unterrichtsprinzip im österreichischen Lehrplan verankert. Das Bildungssystem behandelt Heterogenität jedoch zumeist als Abweichung von der Norm und steuert durch aktuelle Entwicklungen wie die Zentralisierung der Matura tendenziell auf eine stärkere Homogenisierung zu. Die Maßnahmen der EU in Bezug auf Mehrsprachigkeit sind lediglich Richtlinien für die jeweiligen Regierungen der einzelnen Mitgliedsstaaten. Die EU unterstützt eine Vielzahl von Programmen und hat eine Sprachlernmethode entwickelt, welche die europäischen BürgerInnen mit Hilfe gesteuerter Interkomprehension zur Mehrsprachigkeit erziehen will. Die Forschung in den romanischen Sprachen hat dabei zeitmäßig einen großen Vorsprung der slavischen Sprachgruppe gegenüber. Das Interkomprehensionsprinzip des Brückensprachenmodells EuroCom nutzt das Potential der Sprachverwandtschaft der drei großen Sprachfamilien Europas und arbeitet mit den sogenannten „sieben Sieben“, mit deren Hilfe aus jedem Text bereits Bekanntes aus angeblich Fremdem herausgefiltert werden kann. Die Interkomprehensionsdidaktik kann im Fremdsprachenunterricht in unterschiedlicher Form eingesetzt werden. Für die konkrete Planung interkomprehensiven Russischunterrichts kann man sich an Fallstudien und Projekten wie z.B. romanische Interkomprehension in der Sekundarstufe 1 deutscher Gymnasien nach Marcus Bär, wissenschaftliche slavische Interkomprehension an der Slavistik Wien, EuroComTranslat an der Universität Innsbruck, Interkomprehension an der Wirtschaftsuniversität Wien unter der Leitung von Christof Heinz sowie Interkomprehension am Gymnasium Zwettl in Niederösterreich durch Wolfgang Steinhauser orientieren. Aus den Ergebnissen der genannten Fallstudien und Projekte lassen sich einige allgemeine Grundbedingungen für funktionierenden interkomprehensiven Sprachunterricht ableiten, welche gemeinsam mit Unterrichtsvorschlägen für die Slavinen Polnisch, Slovakisch und Tschechisch im zweiten Teil der Arbeit erläutert werden. Für den interkomprehensiven Fremdsprachenunterricht sind SchülerInnen mit Migrationshintergrund von besonderer Bedeutung: Als MuttersprachlerInnen der betreffenden Zielsprachen können sie in den Unterricht eingebunden werden, indem sie als ExpertInnen für ihre Sprache fungieren und teilweise die Lehrerrolle übernehmen. |