Helmut Lachenmann und Karlheinz Stockhausen

Autor: Adler, Luise
Jazyk: němčina
Rok vydání: 2021
DOI: 10.25365/thesis.65562
Popis: Helmut Lachenmann und Karlheinz Stockhausen gelten oft als Repräsentanten einer ablehnenden Haltung gegenüber Traditionen der kanonisierten europäischen Kunstmusik. In ihrem kompositorischen Selbstverständnis streben sie nach Erneuerung und innovativer künstlerischer Arbeit jenseits etablierter Modelle. Tatsächlich lässt eine Auseinandersetzung mit Ego-Dokumenten und Kompositionen Widersprüche innerhalb dieses Anspruchs erkennen. In der vorliegenden Arbeit wird daher der Traditionsbegriff beider Komponisten und ihre Selbstverortung innerhalb der Tradition offengelegt. Im Zentrum steht neben Selbstzeugnissen der Vergleich zweier Werke. Wegen der besonderen historischen Bedeutung der Gattung wurden Streichquartette ausgewählt: Helmut Lachenmanns II. Streichquartett Reigen seliger Geister (1989) und Karlheinz Stockhausens Helikopter-Streichquartett (1992/93). Dabei gilt es zu zeigen, wie in beiden Werken sowohl dezidierte Abkehr von historischen Strukturprinzipien, als auch latente Traditionslinien wirksam werden. Eine Synopse wichtiger Schriften legt Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen beiden Komponisten offen. Die kritische Einordnung der analytischen Befunde verdeutlicht Übereinstimmungen, aber auch Diskrepanzen zwischen Selbstdarstellung und konkreter kompositorischer Umsetzung: Der avancierten Mischung von Klang und Geräusch, zum Teil an der Hörbarkeitsschwelle, stehen bei Lachenmann zum Beispiel traditionelle kompositorische Muster wie Motiv und Melodie in entwicklungsartigen Strukturverläufen gegenüber; Stockhausen verbindet innovativ Streichertremoli mit dem akustischen „Objet trouvé“ der Rotorgeräusche, während die Verarbeitung der LICHT-Formel in präziser Notation als differenziertes Kontinuum Bezüge zu Wagner und zur musikalischen Rhetorik aufblitzen lässt.
Helmut Lachenmann and Karlheinz Stockhausen are often regarded as representatives of a negative attitude towards traditions of canonised European art music. In their compositional self-image they strive for renewal and innovative artistic work beyond established models. However, an examination of ego-documents and compositions reveals contradictions within this claim. The present thesis therefore examines the concept of tradition of both composers and their self-location within tradition. In addition to self-testimonies, the focus is on the comparison of two works. Because of the special historical significance of the genre, string quartets have been selected: Helmut Lachenmann’s second String Quartet Reigen seliger Geister (1989) and Karlheinz Stockhausen’s Helicopter String Quartet (1992/93). The aim is to show how in both works a decided departure from historical structural principles as well as latent lines of tradition are effective. A synopsis of important writings reveals similarities and differences between the two composers. The critical classification of the analytical findings reveals similarities, but also discrepancies between self-presentation and concrete compositional implementation: Lachenmann, for example, contrasts the advanced mixture of sound and noise, sometimes at the threshold of audibility, with traditional compositional patterns such as motif and melody in development-like structural progressions; Stockhausen innovatively combines string tremolos with the acoustic "objet trouvé" of rotor noises, while the processing of the LICHT-formula in precise notation as a differentiated continuum flashes references to Wagner and musical rhetoric.
Databáze: OpenAIRE