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Dass ich, 1940 geboren, nach der Grundschule auf dem Dorf das Gymnasium im nachsten groseren Ort besuchen sollte, war fur meine Eltern klar. Vertraten doch beide bildungsburgerliche Ideale: Mein Vater als promovierter Geisteswissenschaftler, der statt einer einmal angestrebten Hochschulkarriere nach Krieg und Gefangenschaft mit viel padagogischem Engagement eine Existenz als Lehrer fand, meine Mutter mit Abitur und einem abgebrochenen Philologiestudium sowie einer grosen Liebe fur Goethe und die ubrige deutsche Klassik. Dass ich dann nach der zehnten Klasse bis zum Abitur weitergehen konnte, war jedoch nicht selbstverstandlich. Als Alternative ware auch der Beruf der Krankenschwester in Frage gekommen. Denn die Familie lebte in finanziell recht prekaren Verhaltnissen. Nach meiner jungeren Schwester waren nach dem Kriege noch vier Geschwister geboren worden. Und Lehrer verdienten damals nicht viel. Dennoch schloss ich im Fruhjahr 1959 mein Abitur ab mit guten Noten in den geisteswissenschaftlichen Fachern. Um mir vor dem Studium etwas Lebenspraxis zu verschaffen, vermittelte mein Vater einen mehrmonatigen Aufenthalt als Kindermadchen in einer franzosischen Familie und regte danach eine Tatigkeit am Fliesband in einer Fabrik an. Beide Praxisfelder habe ich positiv als Horizonterweiterung erfahren, war aber auch froh, mich im Studium zum Wintersemester wieder mit Buchern beschaftigen zu durfen. Von heute aus betrachtet, war meine Studienmotivation auf zwei Ziele gerichtet: Einerseits wollte ich unbedingt meinen Wissenshorizont erweitern, andererseits auf diesem Wege berufliche Selbstandigkeit erreichen. |