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„Die gewohnliche Uberlieferung des Werkes ist ein Verfallsprozes, der schon mit der Veroffentlichung begann/'1 Georg Feders pointierte, aus reicher Erfahrung gewonnene Einschatzung der Uberlieferung von Werken als „Verfallsprozes", der stets mehr von der „Autorenintention"2 wegfuhrt und deshalb im Namen einer historisch-asthetischen Authentizitat oder Werktreue kritisch aufzuarbeiten sei, motiviert wohl alle neueren Gesamtausgaben, fuhrt aber unvermeidlicherweise zu Paradoxien, ja sogar Aporien. Geht man davon aus, das die Werke von Schumann, Wagner, Brahms, Schonberg, Berg oder Hindemith in mehr oder weniger brauchbaren Ausgaben vorliegen, die nur in sich freilich betrachtlich summierenden Details abzuandern sind, so vermehren die Gesamtausgaben der Werke dieser Komponisten vor allem den Werkbestand: durch Skizzen3, Fragmente4, Fruhfassungen, alternative Fassungen, Studienwerke5, literarische und theoretische Arbeiten6, Bearbeitungen oder Auffuhrungsmaterialien. Die historische Akzentuierung der Editionsmethode hat zu einer betrachtlichen Erweiterung des Werkbestands durch zu publizierende Werkfassungen und sonstige Materialien gefuhrt, die fast schon den nachdrucklichen Werkbegriff auflosen, der diesen editorischen Aufwand zunachst herausgefordert hat. Die regulative Instanz der „Autorenintention" verliert ihre quellenkritische Bedeutung, wenn zum Beispiel die Fruhfassung eines Werkes der ursprunglichen, womoglich ,utopischen' und interpretatorisch kaum wirklich zu realisierenden Werkidee am besten zu entsprechen scheint, eine mittlere' Fassung die spieltechnischen Probleme etwa durch eine Veranderung der Notierung des Rhythmus mildert und eine ,Fassung letzter Hand' erhebliche instrumentatorische Retuschen bietet. Diese Erkenntnis der Geschichtlichkeit, also des Gewordenseins und der Veranderbarkeit von Werken ist haufig genug das Resultat historisch-kritisch fundierter Werkeditionen, die der Uberlieferung von Werken nachspuren und sich um absolute Werktreue muhen: Der emphatische Werkbegriff lost sich in Fassungen auf, die Autorenintention verliert ihre eindeutige Kontur und fur die Veroffentlichung von bislang unpublizierten Fassungen mussen je nach Funktion der Veroffentlichung editorische Masnahmen ergriffen werden, die den grundsatzlichen Editionsprinzipien |