Wann ist eine Grenze eine Grenze? Zur theoretischen Fundierung von Dialektgrenzen und ihrer statistischen Validierung

Autor: Pickl, Simon
Rok vydání: 2023
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DOI: 10.17863/cam.96953
Popis: Das Konzept des Isoglossenbündels als definierendes Merkmal einer Dialektgrenze ist eines der ältesten der Dialektologie (Bielenstein 1892). Es besagt, dass ein gehäuftes Zusammenfallen von Isoglossen verschiedener sprachlicher Erscheinungen Grund zur Annahme bietet, dass es hier einen nennenswerten Einfluss gibt, der (innersprachlich) zum Ausrichten der Isoglossen aneinander bzw. (außersprachlich) zum Anlagern an eine räumliche Gegebenheit führt. Mit anderen Worten, Isoglossenbündel werden als Manifestationen sprachräumlich trennender Wirkfaktoren gesehen, die meist mit Verkehrsscheiden identifiziert werden. Wie stark solche Bündel jedoch ausgeprägt sein müssen, um eine kausale Interpretation zu rechtfertigen, ist alles andere als klar. In diesem Beitrag wird eine Möglichkeit vorgestellt, Isoglossenbündel aus statistischer Sicht zu bewerten. Konkret wird ein Verfahren gezeigt, mit dem sich bestimmte räumliche Linien, die im Verdacht stehen, sprachgeographisch relevant zu sein – z.B. politische Grenzen oder Flüsse –, auf signifikante Ansammlungen von Isoglossen entlang dieser Linien überprüfen lassen, so dass eine Aussage darüber möglich ist, ob eine Grenze im Sinne einer sprachräumlichen Barriere vorliegt oder nicht. Auf diese Weise lässt sich nicht nur die Stärke, sondern auch die Schärfe einer solchen Grenzlinie quantitativ bewerten. Zudem lassen sich nicht nur signifikant trennende, sondern auch signifikant verbindende Wirkungen ermitteln. Die exemplarische Anwendung dieser Methode auf von Daten aus dem Sprachatlas von Bayerisch-Schwaben zeigt, dass so nicht nur die Wirkung von historischen Territoriengrenzen und Flüssen differenziert eingeschätzt werden kann; es sind auch Aussagen über die relative Chronologie solcher Wirkungen sowie der Nachweise von Artefakten der Datenerhebung möglich. Bielenstein, Johannes Gottfried August (1892): Die Grenzen des lettischen Volksstammes und der lettischen Sprache in der Gegenwart und im 13. Jahrhundert. Ein Beitrag zur ethnologischen Geographie und Geschichte Russlands. St. Petersburg: Eggers & Co.
Databáze: OpenAIRE