Bernward Joerges, Reminiszenz Und Prolepsis - Hommage À Jörg Potthast (In: Sollen Wir Mal Ein Hochhaus Bauen?, Edited By Jörg Potthast) <2017>

Autor: Joerges, Bernward
Rok vydání: 2017
Předmět:
DOI: 10.5281/zenodo.839315
Popis: In der Hochhaus-Studie wird ein endloser Zopf geflochten aus episodischen Beobachtungen, vorwiegend aus Frankreich stammen Theorieanleihen und ersten Ansätzen einer Soziologie der Kritik. Dieses Geflecht sollte auch in der Zukunft ein Stilmerkmal Potthastschen Denkens bleiben, ein Designmerkmal seiner Erzählarchitektur gewissermaßen. In einer „Laborstudie“ der besonderen Art werden Beobachtungsepisoden zusammengetragen über das, was Architekten und Planer tun, wenn sie dem alltäglichen Geschäft des Designs in einem Hochhausprojekt nachgehen. Das Besondere dabei ist zum einen, dass eine ethnografisch angeleitete Methodik des „über die Schultern Schauens“ oder „Beschattens“, wie sie aus vielen Untersuchungen von Wissenschaftlern im Labor bekannt war, auf den außerwissenschaftlichen Kontext von Designpraktiken im Architektur-Studio übertragen wurde (vgl. Guggenheim in diesem Band). Zum anderen war diese Methodik, im Zuge einer „Heimkehr der Ethnologie“ nach Europa, in ein Studying-up zu verwandeln: in der zu betrachtende fremde Kultur stand der soziologisch-ethnografische Novize nicht mehr oder weniger hilflosen Stammesmitgliedern, sondern in vielfältiger Weise überlegenen architektonisch-urbanistischen Profis gegenüber. Die theoretischen Anleihen kommen zumeist aus einer Auseinandersetzung mit einer damals wenig beachteten französischen Literatur, gerade im Augenblick eines beginnenden Siegeszuzugs von durchaus revolutionären und höchst irritierenden Überlegungen im Bereich der Science and technology studies (STS) um Bruno Latour und andere. Beginnend bei den Anfängen einer neuen Ethnologie um Claude Lévi-Strauss und Pierre Bourdieu werden regelmäßig Überlegungen aus dem Schriften von Bruno Latour, Luc Boltanski, Laurent Thévenot oder Michel De Certeau und deren Freunden in der STS-Forschung wie John Law oder Karin Knorr-Cetina aufgerufen – Überlegungen, die gelernten Soziologen noch einigermaßen fremd waren. Kritik bleibt weitgehend mittelbar, in der Form von Überlegungen zu einer Soziologie der Kritik, vorgetragen. Getreu einem ethnografischen Ethos bleiben kritische Äußerungen zu zentralen Fragestellungen der Stadtsoziologie zurückgenommen und verhalten: Statt Hochhaus gut/Hochhaus schlecht zu sagen, werden die Experten des Feldes selbst belauscht. Man möchte sagen: Sollen sie, die Architekten und Planer, sich doch erst einmal selber kritisieren.
https://botopress.net/2017/08/03/sollen-wir-mal-ein-hochhaus-bauen/
Databáze: OpenAIRE