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Die deutsche Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts ist auch bei engagierter Betrachtung alles andere als eine Geschichte, auf die man »als Deutscher stolz« sein kann, wenn man die Fakten nicht total verdreht, wie dies heute jene tun, die mit diesem Spruch als Kampfparole ihre kriminellen und pogromahnlichen »Aktionen« begleiten. Die jungere deutsche Geschichte liefert von heute aus gesehen dem einzelnen in ihren epochalen Hauptereignissen und selbstproduzierten Katastrophen weltgeschichtlichen Ausmases kaum Anlasse fur generell affirmierende und identifizierende Vergegenwartigungen auch seines eigenen Lebens im Kontext dieser Gesellschaftsgeschichte. Dennoch gilt, sie wurde von Deutschen gemacht, die sich in ihrem Selbstverstandnis auch zu den eigenen Anteilen dieser moralisch problematischen Geschichte zu verstehen haben, und sie ist so oder so Bestandteil auch der Lebenswelt der sogenannten Nachgeborenen. »Mit den Lebensformen, in die wir hineingeboren wurden und die unsere Identitat gepragt haben, ubernehmen wir ganz verschiedene Sorten einer geschichtlichen Haftung (im Jasperschen Sinne). Denn von uns hangt es ab, wie wir die Traditionen, in denen wir uns vorfinden, fortsetzen.«1 Noch vor der Realisierung einer solchen Haftung mit ihrer impliziten moralischen Forderung und der Frage, inwieweit kritische Traditionssichtung und -weitergabe im offentlichen Raum und veroffentlichten Diskurs moglich ist, ergibt sich zuerst die Frage, wie kann die einzelne Person bei der Selbstaneignung ihrer Lebensgeschichte im lebensweltlichen alltaglichen Diskurs in ihrem Milieu, ihrer Familie die problematischen Anteile, die direkt oder vermittelt ihr Leben bestimmen, uberhaupt als etwas zur ihr Gehoriges integrieren. |