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„Wer die Jugend hat, hat die Zukunft“ — das ist der Satz, mit dem die modernen Diktatoren und Mochtegern-Diktatoren naiv einen Zynismus bekunden, fur den die menschlichen und gesellschaftlichen Angelegenheiten zu Fragen des Machtkampfes und der Schulung eingefroren sind. Ein erschreckender Satz also, und doch eine bittere Wahrheit, der man nicht ausweichen kann! Denn so sicher wie nach dreisig Jahren eine neue Generation bestimmt, was eine Gesellschaft in ihrem organisierten und nichtorganisierten Dasein ist, so sicher hat die Zukunft, wer die Jugend hat. Wohl dem Volk, in dem sich nicht die Verblendung regt, das die Jugend ein Objekt fur den mit irgendwelchen Zielen gerechtfertigten Zugriff des Habens sein konne. Aber auch dieses Volk wird in einer Generation durch seine Jugend reprasentiert sein. Der Jugend fallt die Zukunft immer und automatisch zu. Insofern ist das eine Trivialitat. Doch in ihr steckt eine Tatsache, deren Einfachheit nur von ihrer Bedeutung ubertroffen werden kann: das die Zukunft irgendeiner menschlichen Fahigkeit, des kulturellen Besitzes und der inneren Daseinsmoglichkeiten, das uberhaupt die Zukunft eines Volkes wie der Volker immer nur das sein kann, was eine Jugend in diese Zukunft hineinzutragen vermag. Menschliches Dasein ist das in der Kette der Generationen fortgereichte Erbe, von dem verloren ist, was nur ein Glied der Kette nicht weiterreicht. Insofern verkurzt oder erweitert jede Generation den Umkreis des Daseins nicht nur fur sich selbst, sondern auch fur diejenigen, die nach ihr folgen. Das ist der unsichere Grund, auf dem alles Dasein eh und je gestanden hat und stehen wird, hart am Abgrund des Kulturverlustes, dessen Eintritt nicht einmal bemerkt zu werden pflegt, weil sich mit dem Schwund der Daseinsmoglichkeiten auch das Unterscheidungsvermogen verliert. Die Jugend ist der Filter, durch den die Kultur einer Gesellschaft standig passieren mus, und sie ist deshalb auch eine geschichtliche Drehscheibe, auf der die Zukunft einer Gesellschaft neu eingestellt wird. |