Mögliche ethische Bewertungskriterien für Enhancement durch gentechnische Manipulation adulter (multipotenter) Stammzellen

Autor: Patocka, Kurt
Jazyk: němčina
Rok vydání: 2022
DOI: 10.25365/thesis.71434
Popis: Bei Eingriffen in den menschlichen Körper, die es wahrscheinlich schon seit Jahrtausenden gibt, können zwei Formen unterschieden werden: einerseits die Kompensation von Defiziten, die durch Anlage, Unfall oder Krankheit entstanden sind (Therapie/Kompensation) und andererseits Maßnahmen, die einen prinzipiell ge-sunden Organismus in eine gewünschte Richtung verändern sollen (Enhancement). Die fortschreitenden Kenntnisse genetischer Grundlagen und die zunehmenden Möglichkeiten molekularbiologischer Techniken eröffnen völlig neue Formen solcher Eingriffe, die weit über die bisherigen hinaus gehen und eine andere Qualität als die bekannten besitzen. Zukünftige Entwicklungen werden, auch wenn sie momentan nicht absehbar sind, eine intensive Diskussion über sie betreffende ethische Fragen unumgänglich machen. Die vorliegende Arbeit behandelt bewusst nur die Manipulation adulter Stammzellen, also die genetische Veränderung einer Einzelperson und nicht ganzer Generationen, wie bei embryonalen Stammzellen. Nicht das Erschaffen eines neuen Menschen ist das Thema, sondern die technische Adaptierung eines Individuums an vorgegebene oder erwünschte Normen. Methoden: Die Arbeit ist in zwei Abschnitte geteilt. Im molekularbiologischen Teil werden einige grundegende Themen der Genetik, vor allem die Herausbildung des Phänotyps aus dem Genotyp, mit dem Ziel behandelt, herauszuarbeiten, welche Veränderungen von menschlichen Eigenschaften durch Genmanipulation grundsätzlich möglich sind. Im philosophischen Abschnitt werden nach der Diskussion verschiedener Zugangswege zu allgemeinen Fragen, die Enhancement betreffen, wie die Natur des Menschen, Selbstgefühl und Autonomie, oder Gerechtigkeit, unterschiedliche ethische Bewertungen von genetischen Eingriffen vorgestellt. In beiden Teilen werden anhand konkreter Beispiele spezielle Probleme des genetischen Enhancements aufgegriffen. Zusammenfassung: Die molekularbiologische Analyse zeigt, dass Lebewesen komplexe Systeme sind, in die sinnvoll einzugreifen auch in Zukunft nur eingeschränkt möglich sein wird. Im Zentrum einer ethischen Bewertung gentechnischer Modifikationen des Menschen steht die Frage der Definition und des intrinsischen Wertes der Natur des Menschen und der Zulässigkeit diese zu verändern. Von einer extremen biokonservativen Sichtweise, die jede Modifikation der DNA ablehnt, abgesehen, werden therapeutische Eingriffe weitgehend als ethisch unbedenklich eingestuft. Aus biokonservativer Sicht kommt daher der Grenzziehung zwischen Therapie/Kompensation und Enhancement entscheidende Bedeutung zu, da nicht-therapeutische Eingriffe eher abgelehnt werden. Die Beantwortung dieser Frage setzt die Definition von Normalität als Beschreibung von Gesundheit voraus, für die es unterschiedliche Zugangswege gibt. Neben den Problemen der Definitionen stellt sich die Grundsatzfrage, was unter Verbesserung beziehungsweise Optimierung zu verstehen ist. Während Bio-konservative in genetischen Eingriffen mit dem Ziel von Enhancement eine Störung des Selbstverständnisses und Selbstgefühls des Menschen sehen, steht für Bio-liberale die Selbstverantwortlichkeit und Freiheit des Einzelnen im Vordergrund. Betont wird von beiden die Autonomie des Menschen, wie diese aber definiert wird und der Einfluss, den Enhancement auf diese hat, wird konträr gesehen. Auffallend ist, dass von beiden Seiten oft Veränderungen angeführt werden, die aus grundsätzlichen molekularbiologischen Gründen nicht verwirklichbar sind und auch nicht sein werden (wie Intelligenz, Alter oder Moral). Biokonservative sehen bei diesen Modifikationen eher die möglichen negativen Folgen, Bioliberale die ebenfalls möglichen Vorteile. In gleicher Weise werden Fragen der Auswirkungen auf die Gesellschaft, im Besonderen solche der Gerechtigkeit, von Vertretern der beiden Grundhaltungen pessimistisch beziehungsweise optimistisch beantwortet. Besonders weit differieren die beiden grundsätzlichen Positionen aus meiner Sicht bei der Beurteilung von Selbst- und Fremd-Enhancement (der eigenen Kinder). Die liberale Position betont die Autonomie der Eltern, die aufgrund ihrer Verantwortung auch die Kinder mit einbezieht, Biokonservative lehnen solche Eingriffe, vor allem im Hinblick auf die Autonomie des Kindes, grundsätzlich ab. Zusammengefasst finden sich sowohl auf Seite der Bioliberalen, als auch der Biokonservativen jeweils gute Argumente für, beziehungsweise gegen Enhancement, so dass für eine endgültige Bewertung eine kritische Gewichtung dieser Argumente nötig ist.
Interventions in the human body, which have probably been in existence for thousands of years, can be divided into two forms: on one hand the compensation of deficits caused by genetic predisposition, accident or disease (therapy/ compensation) and on the other hand procedures that are intended to change a healthy organism in a desired direction (Enhancement). The advancing knowledge of genetic bases and the increasing possibilities of molecular biological techniques open up completely new forms of such interventions, which go far beyond the previous ones and possess a different quality than the known ones. Future developments, even if they are not foreseeable at the moment, will make an intensive discussion on these ethical issues unavoidable. This paper deliberately deals only with the manipulation of adult stem cells, that is the genetic modification of an individual and not of entire generations as in embryonic stem cells. The topic is not the creation of a new human being but the technical adaptation of an individual to given or desired norms. Methods: The work is divided into two sections. In the molecular biological part some fundamental topics of genetics, especially the formation of the phenotype from the genotype, are examined with the aim of working out which changes of human properties are fundamentally possible through gene manipulation. In the philosophical section, following the discussion of different approaches to general issues concerning Enhancement, such as the Nature of humans, sense-of-self or justice, different ethical assessments of genetic interventions are presented. In both parts specific problems of genetic Enhancements are taken up on the basis of concrete examples. Conclusion: Molecular biological analysis shows that living organisms are complex systems in which reasonable interventions will only be possible to a limited extent even in future. In the center of an ethical assessment of genetic modification of humans stands the question of definition and intrinsic value of the Nature of humans and the allowability of changing it. Apart from an extreme bioconservative view, which rejects any modification of DNA, therapeutic interventions are largely classified as morally inoffensive. From a bioconservative point of view, the boundary between therapy/compensation and Enhancement is therefore of decisive importance, as non-therapeutic interventions are, by and large, rejected. Answering this question presupposes the definition of normality as a description of health, for which there are different approaches. In addition to the problem of definitions the fundamental question arises, what is to be understood by improvement or optimization. While bioconservatives see in genetic interventions, with the aim of Enhancement, a disturbance of the self-concept and the sense-of-self of human beings, for bioliberals self-responsibility and freedom of the individual have priority. Both emphasize the autonomy of humans but how this is defined and the influence that Enhancement has on it is seen contrary. It is noticeable that both sides frequently address genetic modifications which cannot be realized even in future (such as intelligence, age or morality). Within these modifications bioconservatives preferably see the potential negative consequences while bioliberales focus on possible advantages. In the same way questions of the impact on society, especially in justice, are answered pessimistically or optimistically, respectively. From my point of view, the two fundamental positions differ particularly widely in the assessment of self-Enhancement and Enhancement of one’s own children. The liberal position emphasizes the autonomy of parents which includes their children due to their responsibility for them, bioconservatives fundamentally reject such interventions, especially with regard to the autonomy of the child. In summary, both bioliberals and bioconservatives have good arguments for and against Enhancement, respectively, so that a critical weighting of these arguments is crucial for a final evaluation.
Databáze: OpenAIRE