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Einmal gebildete Überzeugungen von der Schuld eines Verdächtigen können die Bewertung von Beweisen im weiteren Strafverfahren und die nachfolgenden Einschätzungen der Schuld leiten. Empirische Studien zu Bestätigungstendenzen (Confirmation Bias) im Strafverfahrenskontext in Deutschland sind rar. Studien aus dem vorwiegend angelsächsischen Raum erfassen einen Confirmation Bias i.d.R. über das Induzieren einer Schuld- vs. Unschuldshypothese, so dass bei einem solchen Vorgehen hauptsächlich der Erfolg der experimentellen Induzierung getestet wird, nicht jedoch die Beibehaltung einer gebildeten Hypothese (Bestätigungstendenz). Die vorliegende Arbeit fokussiert daher auf die Prüfung der Beibehaltung oder Veränderung einer gebildeten Ursprungshypothese. Dazu erhielten 96 kriminalpolizeiliche Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen aus Deutschland in einem ersten Schritt einen Aktenauszug zu einem Tötungsdelikt mit belastendem oder entlastendem Beweismaterial, bevor sie eine erste Einschätzung der Schuld abgaben. In einem zweiten Schritt erhielten beide Gruppen weiteres uneindeutiges Beweismaterial in Form von protokollierten oder videoaufgezeichneten Zeugenvernehmungen und gaben eine endgültige Einschätzung der Schuld ab. Die endgültige Schuldeinschätzung war lediglich in der entlastenden Beweisbedingung zum zweiten Messzeitpunkt, nachdem die Teilnehmenden die weiteren uneindeutigen Beweise erhalten hatten, signifikant höher. In der belastenden Bedingung zeigten die Einstufungen tendenziell in die erwartete Richtung. Ein Einfluss der Art der Informationsquelle lag erwartungsgemäß nicht vor. Insgesamt deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass vor allem erfahrene Ermittlungsbeamte und -beamtinnen nicht durch Vorannahmen beeinflusst wurden. Da dies die erste Studie zum Confirmation Bias in Deutschland an Polizeibeamten und -beamtinnen ist, werden weitere Untersuchungen als notwendig erachtet. |