Früherkennung von Prostatakrebs mittels PSA-Test: Ergebnisse aus einer qualitativen Studie zu arztseitigen Barrieren bei der Umsetzung der informierten Entscheidungsfindung in Österreich

Autor: Malli G
Rok vydání: 2012
Předmět:
Zdroj: Das Gesundheitswesen. 75:22-28
ISSN: 1439-4421
0941-3790
DOI: 10.1055/s-0032-1309017
Popis: Im Rahmen der osterreichischen „Vorsorgeuntersuchung“ (VU) wird auf Basis der derzeitigen Evidenzlage ein systematisches Routinescreening zur Fruherkennung von Prostatakrebs mittels PSA-Test nicht empfohlen. Angestrebt wird eine Beratungssituation, die den Vorgaben des Modells der informierten Entscheidungsfindung (IDM) gerecht wird. Ziel dieser qualitativen Pilotstudie ist es, Faktoren zu identifizieren, welche Aufschluss uber die arztliche Beratungspraxis zum PSA-Test geben. Die empirische Datenbasis bilden 5 Fokusgruppendiskussionen mit insgesamt 30 Allgemeinmedizinern und 4 Internisten. Zusatzlich wurden vertiefende Interviews mit 8 Allgemeinmedizinern durchgefuhrt. Die Gesprache wurden digital aufgezeichnet und wortwortlich transkribiert. Das Datenmaterial wurde mithilfe des Softwarepakets MAXqda nach dem Modell der typologischen Analyse sowie der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Die Ergebnisse der Tiefeninterviews zeigen, dass sich nach der Haufigkeit der Anordnung eines PSA-Tests Routine-Screener, die bei allen Patienten ab 50 einen PSA-Test empfehlen von Gelegenheitsscreenern, die nur dann zum Urologen uberweisen, wenn ein PSA-Test vom Patienten nachgefragt wird, unterscheiden lassen. Sowohl in den Tiefeninterviews als auch in den Fokusgruppen wurde deutlich, dass Risiken und mogliche Schaden des PSA-Tests in den Beratungsgesprachen selten thematisiert werden. Wesentlich haufiger wird uber den Nutzen des Screenings gesprochen. Eine umfassende Aufklarung wird sowohl fur den Arzt als auch fur den Patienten als unzumutbar erlebt. Es konnten patientenbezogene Faktoren (kognitive und emotionale Uberforderung, Bevorzugung des autoritaren Behandlungsstils, Abschrecken durch Risiken), arztbezogene Faktoren (Uberzeugung vom Nutzen der Fruherkennung mit dem PSA-Test, mangelndes Wissen) und strukturelle Faktoren (mangelnde Zeit, unangemessenes Honorar) identifiziert werden, die die Beratungspraxis beeinflussen. Die Ergebnisse geben Hinweise auf eine selektive Darstellung von Aspekten bezuglich des Screenings von Prostatakrebs in der arztlichen Beratungspraxis, die eine Uberschatzung des Nutzens und Unterschatzung des Risikos des PSA-Tests bewirkt. Deutlich wird, dass sich das angestrebte Ziel – die Umsetzung des IDM im Kontext des Beratungsgesprachs zum PSA-Test – innerhalb der osterreichischen „Vorsorgeuntersuchung“ nicht wie intendiert realisieren lasst. Die dargestellten Ergebnisse machen deutlich, wie wichtig Interventionen zur Verbesserung der Beratungspraxis sind. Vorgeschlagen wird deshalb, das Thema informierte Entscheidungsfindung im Rahmen des Prostatascreenings verstarkt in laufende Arztefortbildungen zu integrieren.
Databáze: OpenAIRE