Akzeptanzfragen des Naturschutzes in Deutschland

Autor: Joachim Selesnow
Rok vydání: 2002
Zdroj: Naturschutzrecht und Nutzungskonflikte ISBN: 9783824476343
DOI: 10.1007/978-3-322-99234-5_13
Popis: Wieso benotigt ein Rechtsstaat Akzeptanz70 fur seine Naturschutzmasnahmen? Der Naturschutz wird doch durch Rechtsnormen, d. h. durch verbindliche, staatlich erzwingbare Normen bewirkt. Schlieslich sind sie in einem Rechtsstaat der primare Ordnungsfaktor. Diese Frage erklart sich aus unserem derzeitigen Rechtsstaatsverstandnis. Es hat sich gewandelt. Rechtsnormen werden nicht mehr vorrangig als Ausdruck einer allgemeinen Vernunft, als „Inbegriff einer vom Souveran festgelegten und damit unerschutterlichen Gerechtigkeit“ verstanden, sondern vorwiegend als Produkt des parteipolitisch-parlamentarischen Mehrheitswillens und damit inhaltlich als Interessenkompromiss.71 Andererseits wird es bei dem grundsatzlichen Zwangscharakter des Rechts bleiben mussen. Befehl und Zwang sind die unverzichtbaren Voraussetzungen fur eine effektive Rechtsordnung. Recht, dessen Anwendung nicht uberwacht wird oder uberwacht werden kann, reizt zum Nichtanwenden. Einmal kann die Wahrscheinlichkeit, kontrolliert zu werden, gering sein, andererseits kann die zu erwartende rechtliche Sanktion im „Ernstfall“ aus wirtschaftlicher Sicht als vernachlassigbar betrachtet werden gegenuber den geforderten Umweltschutzmasnahmen und damit -investitionen. Befehl und Zwang ausern sich jedoch — so verstanden — erst in einer Krise. Auf Dauer lasst sich das Recht jedenfalls nicht alleine auf Zwang, sondern auf Verstehen, Anerkennen, d. h. auf Akzeptanz und Mitwirken des Volkes aufbauen.72 Auserdem entsprache eine Rechtsordnung, in der alles uberwacht und erzwungen werden muss, nicht unserer verfassungsgemasen Rechtsordnung. Sie ist unter anderem auf demokratischen Prinzipien, d. h. allgemein auf mehrheitlicher Akzeptanz aufgebaut.
Databáze: OpenAIRE