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Den Literarhistoriker, der auszieht, die Wuste mittelalterlicher literarischer Gattungen zu vermessen, afft manche Fata Morgana: liet, spruch, rede, maere, bispel, buoch, gefresse. Aber gelegentlich stost er auf rettende Oasen: tageliet (-wise), (vasnaht) spil, leich. Naher besehen haben freilich auch die Oasen ihre Tucken. — Der mittelhochdeutsche Leich scheint auf den ersten Blick eine der am wenigsten problematischen mittelalterlichen Gattungen zu sein. Nicht nur, das wir hier — einmal wenigstens? — sicher sein durfen, unter Leich das zu verstehen, was das Mittelalter darunter verstanden hat, es herrscht auch in der Forschung ein allgemeiner consensus daruber, was zu dieser Gattung gehort und was nicht. Letzteres wird vor allem dadurch erleichtert, das der Leich im Rahmen der mittelhochdeutschen sangbaren Dichtung unverwechselbar formal zu beschreiben oder zu definieren ist. Metrisch und musikalisch unterscheidet er sich klar vom strophischen Lied und vom Spruch. Im Gegensatz zu manchen hochmittelalterlichen und sehr vielen spatmittelalterlichen Gattungen, die so eindeutig formal nicht zu fassen sind, besteht daher beim Leich eher die Gefahr, das man ihn zu isoliert betrachtet. Dabei uberschneidet er sich nach Themen und Tendenzen schon mit Lied und Spruch vielfach und bleibt auch in der handschriftlichen Uberlieferung eng an sie gebunden. Noch fragwurdiger wird aber die vermeintliche Geschlossenheit der Gattung, wenn man nach Typen des Leichs fragt. |