Optisch anomale Kristalle

Autor: Bart Kahr, J. M. McBride
Rok vydání: 1992
Předmět:
Zdroj: Angewandte Chemie. 104:1-28
ISSN: 1521-3757
0044-8249
Popis: Die optische Symmetrie vieler Kristalle ist niedriger als aufgrund ihrer auseren Form und der Rontgenbeugungsdaten zu erwarten ware. Heute schreibt man solche optischen Anomalien Nichtgleichgewichtsstrukturen zu, die durch kinetisch kontrolliertes Kristallwachstum entstehen. Verunreinigungen werden an Positionen, die normalerweise im Kristallverband uber Symmetrieoperationen ineinander uberfuhrt werden konnten, in unterschiedlichem Ausmas in die Oberflache eingebaut. Die optisch anomalen Kristalle waren nach ihrer Entdeckung durch Brewster im Jahre 1815 wahrend des gesamten 19. Jahrhunderts Gegenstand einer lebhaften Diskussion zwischen den wichtigsten Pionieren auf dem Gebiet der Kristallographie, darunter Biot, Berzelius, Herschel, Mitscherlich, Frankenheim, Pasteur, Mallard, Klein, Groth, Wyrouboff, Barlow, Brauns, Rinne, Pockels und Friedel. Aus dem Nebel wilder Spekulation tauchten zwei sich widersprechende Postulate auf: Zum einen wurde die symmetrische Form auf die zufallige Zwillingsbildung mehrerer Segmente niedrigerer Symmetrie zuruckgefuhrt, zum anderen erklarte man die optischen Besonderheiten mit Spannungen, die man auf Verunreinigungen oder ausere Storungen zuruckfuhrte. Keines dieser Postulate entspricht der heutigen Betrachtungsweise. Um die Jahrhundertwende schwand allmahlich das Interesse an diesem Forschungsgebiet, und nach 1917 griff niemand Tammanns neue und richtige Erkenntnisse auf. Das Problem der anomalen Doppelbrechung blieb - bis zu seiner Losung in jungster Zeit - mehr als ein halbes Jahrhundert unbeachtet. In dieser Ubersicht werden sowohl mineralische als auch organische Systeme diskutiert, wobei das Hauptaugenmerk auf dem Phyllosilicat Apophyllit und auf 1,5-Dichlor-2,3-dinitrobenzol liegt. Das Studium optisch anomaler Nichtgleichgewichtsstrukturen kann dabei helfen, Fragen zu Kristallordnung, Kristallwachstum, molekularen Erkennungsmechanismen und der Entwicklung neuer Werkstoffe zu beantworten. Auch soll dieser Beitrag deutlich machen, wie wertvoll das Polarisationsmikroskop nach wie vor fur die chemische Forschung ist.
Databáze: OpenAIRE