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Working Poor bezeichnet ein (nicht nur) in Deutschland weit verbreitetes Phänomen: Menschen erzielen zwar durch eigene Erwerbstätigkeit ein Einkommen, welches aber so gering ist, dass sie ihren Lebensunterhalt damit nicht bestreiten können. Eine solche sogenannte Erwerbsarmut ist angesichts ihrer dauerhaften und steigenden Existenz längst zur bundesdeutschen Normalität zu zählen. Der plakative Slogan „Arm trotz Arbeit“, mit dem diese Lebenslage in politischen Debatten problematisiert (Meiser 2022) oder offiziell betitelt wird (Statistisches Bundesamt 2022), drückt demgegenüber aus, dass es sich um eine abzulehnende Abweichung von – zumindest für Westeuropa geltenden – normalenArbeits- und Lebensverhältnissen handelt, da Arbeit eigentlich vor Armut schützen solle (Pradella 2015). Der vorliegende Beitrag geht dieser Annahme mit Blick auf empirische Realitäten und unter Rückgriff auf sozialstaatstheoretische Perspektiven sowie einige marxistisch-feministische Grundannahmen nach und kommt zu einem kritischen Urteil: Zwar stellt sich die Lage bezüglich der einzelnen arbeitenden und von Armut betroffenen Person als „arm trotz Arbeit“ dar, ihre Armut begründet sich gesamtgesellschaftlich allerdings eher „wegen Arbeit“. Zunächst werden das Phänomen und seine Verbreitung in Deutschland beschrieben und zwei Varianten von Betroffenheit genauer in den Blick genommen: Elternschaft und Behinderung. Anschließend wird dem sozialpolitischen Charakter des Phänomens nachgegangen, bevor daraus ableitend Überlegungen zur gesellschaftskonstituierenden Rolle des Sozialstaats sowie eine gesellschaftstheoretische Begründung von Working Poor umrissen werden. Anschließend werden Implikationen bezüglich sozialer Dienste formuliert, bevor ein Fazit den Beitrag abschließt. |