Weiblicher Narzissmus – Zwischen Selbstzweifel und Grandiosität

Autor: Wardetzki, Bärbel
Zdroj: Die Psychotherapie; 20220101, Issue: Preprints p1-6, 6p
Abstrakt: Weiblicher Narzissmus beschreibt die Persönlichkeit von Frauen, deren Selbstwertgefühl verletzt ist, und die dies durch eine perfekte narzisstische Fassade kompensieren. Über Leistung, Attraktivität, Perfektionismus und Anpassung versuchen sie, ihre Unsicherheiten auszugleichen und ein Bild von sich zu zeigen, das mit ihrem inneren Erleben nicht übereinstimmt. Sie treten selbstbewusst auf, fühlen sich jedoch unsicher und voller Selbstzweifel. Während der sog. männliche Narzissmus in der Grandiosität verwurzelt ist, basiert der weibliche auf den Gefühlen der Unzulänglichkeit und Minderwertigkeit. Der Begriff des weiblichen Narzissmus darf nicht als Diskriminierung von Frauen durch eine geschlechtsspezifische Zuschreibung missverstanden werden. Er dient lediglich der Kategorisierung der narzisstischen Ausprägung, wie sie hauptsächlich bei Frauen und seltener bei Männern zu finden ist. Er betont die Bedeutung des vulnerablen, verletzlichen Aspekts einer narzisstischen Struktur, die bisher weniger im Fokus der wissenschaftlichen und therapeutischen Betrachtung stand als der grandiose. Obwohl die Frauen in der Therapie scheinbar problemlos auftreten, alles im Griff zu haben scheinen und ihr Leid perfekt kaschieren, sind sie doch in hohem Maß in ihrem Selbstwertgefühl verletzt und bedürftig nach Beachtung, Unterstützung und Orientierung. Im Schutz der therapeutischen Beziehung erfahren sie einen neuen Zugang zu sich, ihren Bedürfnissen und Gefühlen. Sie überwinden die narzisstische Selbstentfremdung und Bindungsstörung, die sich einerseits in Angst vor dem Verlassenwerden, andererseits in der Furcht vor Nähe äußert. Therapieziele sind die Überwindung der Gegensätze ihres Fühlens und Verhaltens sowie ein Zugang zu einem erweiterten Wissen über sich selbst.
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