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Im Alter von 62 Jahren gab Elias Martin (1739–1818), einer der besten Landschaftsmaler Schwedens, eine Folge von Gravüren heraus, die das Gebet Vater unser illustriert. Die Serie, die zehn Blätter umfasst, erschien 1802, ist in Punktmanier ausgeführt und in mehreren Farben gedruckt. In technischer Hinsicht—als Mehrfarbendruck—ist sie sozusagen als Pionierwerk der schwedischen Graphik zu betrachten. Vor allem aber ist sie aus kunstsoziologischer Perspektive gesehen interessant. Ein angesehener Künstler, der für die Spitze der Gesellschaft arbeitet, wendet sich hier mit billigen Bildern in Massenauflage an die breiteste Schicht des Volkes. Ein wichtiges Motiv hierfür kann die ökonomische Situation Martins gewesen sein. Nach dem Mord an Gustaf III. (1792) verschlechterten sich plötzlich die Bedingungen für die Kunst. Viele Künstler klagten über Schwierigkeiten ihre Produktion veräussern zu können. Ein Zeichen für die weichende Konjunktur war, dass der alte Martin 1804 eine Privatausstellung in seinem Heim anordnete—ein für die damalige Zeit einzig dastehendes Vorhaben. Die Ausstellung wurde offenbar unter einer Reihe von Jahren nahezu eine Dauerausstellung. Seine Anzeigen erschienen in der Presse bis zum Jahr 1809. Bezeichnend ist, dass Martin sich in diesen Anzeigen nicht nur an die Allgemeinheit wandte, sondern auch an die Reichstagsabgeordeneten appellierte. Diese Initiative muss als Wendung im schwedischen Kunstleben betrachtet werden. Er wandte sich nicht mehr länger an den König oder andere hohe Beschützer, sondern an die vom Volk gewählten Vertreter. (Im Jahr 1809 wurde gesetzlich festgelegt, dass der Reichstag, und nicht wie früher der König, die öffentlichen Mittel für die Kunst veranschlagen sollte). Ziel mit diesen Illustrationen sagt Martin, war die Sorge um die religiöse und moralische Erziehung der Jugend. Es kann als Versuch aufgefasst werden sich der neuen Welle gefühlvoller Religiösität und Moralität anzupassen, die zu dieser Zeit Keim für verschiedene Volksbewegungen legte. Das Vater unser liegt auch in einer Serie von neun Ölgemälden vor. Man nahm ohneweiteres an, dass diese als Vorlagen für die Gravüren dienten. Diese Annahme ist vollkommen unhaltbar. Stilistisch gehören diese Gemälde zu den Alterswerken Martins. Sollten sie vor 1806 ausgeführt sein, hätten sie in dem Katalog stehen müssen, den er in diesem Jahr publizieren liess. Ausserdem ist die Serie unvollständig, und drei der Bilder (Nr. 4, 8, 9) können unmöglich von Martin ausgeführt sein. Nummer 7 ("Dein Wille geschehe") ist von anderer Hand vollendet worden. Im späten Alter, von Krankheit gezeichnet, nahm Martin die Gravüren (seine letzte artistische Prästation) als Ausgangspunkt für eine Serie Gemälde, die er nicht mer ausführen konnte. Ein anderer komplettierte sie dann. Wer? Lehrjungen hatte Martin zu dieser Zeit nicht und sein Stil war bereits veraltert. Es liegt nahe an seinen Sohn Erik Fredrik zu denken, der wahrscheinlich seinem Vater bei der gravierten. Auflage behilflich war. Die Gemälde gehörten zum Nachlass Martins und fielen mit aller Wahrscheinlichkeit seinem Sohn zu. Dieser hatte in Eigenschaft als Graphiker Verbindung zu einer Druckerei, deren Besitzer sämtliche neun Gemälde erwarb. [ABSTRACT FROM PUBLISHER] |