FUNKTIONSLOGIK TERRORISTISCHER PROPAGANDA IM BEWEGTEN BILD

Autor: Stefan Christoph
Jazyk: German<br />English<br />French
Rok vydání: 2015
Předmět:
Zdroj: Journal for Deradicalization, Vol 4, Iss 2015, Pp 145-205 (2015)
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ISSN: 2363-9849
Popis: Die Medienfront ist heute ein wichtiger Kriegsschauplatz, den viele neben Land, Wasser und Luft für gleich wichtig halten. Terroristen fühlen sich in sozialen Medien wohler als man denken könnte. Im Netz können sie die asymmetrische Kräfteverteilung überwinden, die sie in der offenen Feldschlacht unterlegen sein ließe. Terroristen machen sich das Bild zur Waffe und produzieren erst durch die Positionierung an der Medienfront Sinn in ihren Taten. Ohne ein Bekennerschreiben, ein Abschiedsvideo des Attentäters oder ein letztes Posting im sozialen Netzwerk wäre ein Bombenanschlag nichts als ein Kapitalverbrechen. Durch die terroristische Kommunikationsstrategie wird das Verbrechen erst zum terroristischen Akt. Das ist die theoretische Grundannahme dieses Aufsatzes. Ohne Medienberichterstattung könnten terroristische Organisationen nicht existieren. Durch die Entwicklung des Web 2.0 und insbesondere sozialer Medien kommen terroristische Organisationen heutzutage aber ganz ohne das Verschicken von Videotapes an Fernsehsender aus. Durch YouTube und andere Kanäle, können sie die Adressaten ihrer Botschaften direkt und ohne zwischengeschaltete Journalistinnen und Journalisten erreichen. So ist es nicht erstaunlich, dass terroristische Organisationen sich eine gewisse Expertise im Umgang mit sozialen Medien zugelegt haben. Al-Qaida hat seine eigene Medienabteilung, auch die kolumbianischen FARC arbeiten sehr professionell und welchen Einfluss der Islamische Staat im Internet ausübt ist inzwischen bereits Gegenstand einiger Reportagen und Untersuchungen geworden. Die diesem Aufsatz zugrundeliegende Arbeit hat sich mit neun verschiedenen Videos aus dem Umfeld von al-Qaida, der IRA und der FARC beschäftigt und versucht, aus dem analytischen Vergleich dieser Videos Rückschlüsse über terroristische Medienmacher und die terroristischen Organisationen selbst zu ziehen. Wie schnell und suggestiv die Videos arbeiten, ist etwa davon abhängig, welche Ziele sie transportieren wollen und ob sie sich an Laien oder an bereits ideologisch vorgeschulte Anhänger richten. Sozialrevolutionäre Gruppen sind besonders bemüht um eine gute Außendarstellung, da sie tendenziell dazu neigen, elitär zu sein und sich von der Bevölkerung zu entfremden. Während sie eine klare Sprache nutzen, arbeiten religiös-motivierte Terroristen oft mit blumigen Bildern und Umschreibungen. Die taktischen Erwägungen von Terroristen, etwa ihre Kämpfer geheim halten zu müssen, führt oft dazu, dass sich die Vorteile des Web 2.0 nicht vollständig für sich ausnutzen können. Organisationen wie die FARC oder der Islamische Staat, die selbst über Rückzugsterritorien verfügen, können aber auch ganz ungeniert Gesicht zeigen und damit noch viel effektiver auf ihre Zielgruppen einwirken. Es hat sich auch gezeigt, dass es große Unterschiede in der Medienkompetenz terroristischer Organisationen gibt: Während die weiter oben erwähnten Gruppierungen teils eigene Medienstäbe eingerichtet haben, scheinen die Videoproduktionen anderer Organisationen eher Ausschussware zu sein. Wenn sich der terroristische Kampf wirklich auf dem Feld der Kommunikation entscheidet, so haben manche Organisationen hier die besseren Karten ausgespielt als andere. Sie schaffen es, ihre Ziele – die Dämonisierung und Einschüchterung des Feindes, die Legitimation der eigenen Gewalt und die Anwerbung neuer Kämpfer und Unterstützer – besser zu transportieren. Der Islamische Staat beschreitet auf diesem Gebiet keine grundsätzlich neuen Wege. Neu ist ihm nur die Leichtigkeit und die technische Professionalität, mit der er auf die Kommunikationsherausforderungen des digitalen Zeitalters reagiert.
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