Der Wandel der Anerkennung von Fehl- und Totgeburt als Geburt eines Kindes

Autor: Böcker, Julia
Jazyk: němčina
Rok vydání: 2022
Předmět:
Zdroj: Böcker, J 2022, ' Der Wandel der Anerkennung von Fehl-und Totgeburt als Geburt eines Kindes ', Osterreichische Zeitschrift fur Soziologie, Jg. 47, Nr. 1, S. 59-82 . https://doi.org/10.1007/s11614-022-00470-7
DOI: 10.1007/s11614-022-00470-7
Popis: Das Aufkommen der Alternativbezeichnungen „Kleine Geburt“ und „Stille Geburt“ ist Ausdruck eines Wandels im Umgang mit Fehlgeburt und Totgeburt. Anstoß des Wandels war zivilgesellschaftliches Engagement Betroffener in den 1980er-Jahren, die sich gegen Entrechtungen in den Kliniken und für soziale Sichtbarkeit und Anerkennung des Verlusts einsetzten. Im Beitrag wird argumentiert, dass Fehl- und Totgeburt in Gesellschaft und Geburtshilfe zunehmend als Geburt (und Verlust) eines Kindes behandelt und Betroffene damit als Eltern anerkannt werden. Empirische Grundlage ist ein Datenkorpus aus narrativen Interviews und natürlichen Daten, die sequenzanalytisch und theoriegenerierend ausgewertet wurden. Der mehrdimensionale Wandel wird anhand von Veränderungen im deutschen Recht, in sozialen Medien und in der Geburtshilfe plausibilisiert. Erstens werden Betroffene durch Änderungen des Personenstandsgesetzes für Fehlgeborene symbolisch als Eltern anerkannt. Zweitens entwickelte sich in Online-Foren ein kollektives Selbstverständnis von „Sternenelternschaft“, das diskursive und institutionelle Veränderungen außerhalb des Internets bewirkte. Daneben legitimieren und normalisieren individuelle Selbstzeugnisse in den sozialen Medien, über Fehl- und Stillgeburt zu sprechen und diese zu zeigen. Drittens werden die professionellen Praktiken der Personalisierung von Stillgeborenen in der Geburtshilfe diskutiert, die nach Totgeburten inzwischen umfänglich, nach Fehlgeburten teilweise, etabliert sind. The coinage of new terms like “Kleine Geburt [little birth]” and “Stille Geburt [silent birth/stillbirth]” is part of an ongoing social change towards recognition of pregnancy loss as child birth. Since the 1980s grassroot initiatives have been engaging for social recognition, for self-determination in clinics and a general right for parents to bury and register their miscarried and stillborn foetuses. In this paper it is argued that miscarriage and stillbirth are increasingly seen and dealt with as birth (and loss) of a person, and thus intended parents are recognized as parents. Qualitative data from narrative interviews and diverse sources such as Blogs and Vlogs has been collected over a period of five years, and a sequential analysis has been applied. The multi-dimensional social change is discussed in three areas: in German legal framework, in social media, and in obstetric care. First, recent changes of the German Civil Status Law for miscarried foetuses contribute to acknowledgement of bereaved parents. Second, online-communities have been establishing a collective identity of “angel parenthood” that brought about discursive and institutional changes outside the internet. Additionally, individual accounts in social media normalize and legitimize to speak about and exhibit experiences of miscarriage and stillbirth. Third, professional personalization of stillborn foetuses in obstetric care is established after perinatal death and stillbirth, but not (yet) after early pregnancy losses.
Databáze: OpenAIRE